Ein sehr trauriges Kapitel in der Geschichte des US-Auslandsnachrichtendienstes CIA findet jetzt ein Ende: die Aufgabe, Al-Kaida-Terror-Verdächtige zu verhören.
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"Machen wir weiter!" Das war die Devise von Ex-CIA-Direktor Richard Helms, dem fähigsten Spion, den die USA jemals hatten. Und es ist auch jetzt die richtige Parole für die CIA, deren Mitarbeiter ja keineswegs Idioten sind: Sie wussten, dass sie sich auf schwieriges Terrain begeben - rechtlich und moralisch -, als sie die Aufgabe übernahmen, Al-Kaida-Verdächtige zu verhören.
Es gehört zum Ethos der CIA, sich auch schwierigen Herausforderungen, um die andere einen großen Bogen machen, zu stellen. Aber natürlich hoffte man, dass die Regierung sie schützen würde - wenn Erfahrene auch von Anfang an Zweifel an den Unterstützungsversprechen der Politiker hegten.
Und wie es so oft in den USA geschieht, haben die Zyniker recht behalten. Trotz der schönen Reden von Präsident Barack Obama, nach vorne und nicht zurück schauen zu wollen, und trotz der Versicherung der letzten US-Regierung, dass das Vorgehen der CIA legal sei, hat Justizminister Eric Holder diese Woche verfügt, CIA-Mitarbeiter strafrechtlich zu verfolgen.
Wie wenig manche in der CIA der Angelegenheit von Anfang an trauten, zeigt ein Blick in den CIA-Hauptbericht 2004. Schon damals wurden Bedenken geäußert, dass CIA-Mitarbeiter eines Tages vor Gericht müssten. "In zehn Jahren werden wir bereuen, was wir jetzt tun", sagte ein Geheimdienstler damals: "Es bleibt uns aber nichts anderes übrig, wir müssen es tun."
Rückblickend lässt sich leicht argumentieren, dass man sich bei der CIA einfach hätte weigern können, die Verhöre wie gewünscht durchzuführen. Anweisungen des Präsidenten der USA zu hinterfragen, gehört aber keineswegs zu den Aufgaben eines US-Geheimdienstes, besonders wenn diese Anweisungen vom Justizministerium mitgetragen werden.
Aber wenigstens findet jetzt dieses traurige Kapitel in der Geschichte der CIA ein Ende. Als ich diese Woche mit langjährigen CIA-Mitarbeitern sprach, war ein Gefühl der Erleichterung zu spüren. Die CIA kann sich nun wieder voll und ganz dem Spionieren zuwenden.
Nur was wird wohl passieren, wenn das Weiße Haus von der CIA wieder einmal etwas Heikles verlangt? Die Antwort ist kein Geheimnis: Die CIA-Mitarbeiter werden mit ihren Anwälten sprechen wollen und vielleicht auch noch mit jenen der Partei, die im Moment nicht regiert. Das klingt nicht nach der idealen Arbeitsauffassung eines modernen Geheimdienstes. Aber die USA werden es überleben.
Zur Zeit der Terroranschläge vom 11. September 2001 verfügte die CIA über keine internen Expertisen in Sachen Verhörmethoden, weil das Thema Verhöre eine politische No-Go-Zone war. Als dann die ersten Terrorverdächtigen der Al Kaida gefangen wurden, herrschte Unsicherheit, wie sie zu befragen waren. Alle anderen Behörden drückten sich vor dieser Aufgabe. Und so tat die CIA, was Bürokraten in Krisensituationen oft tun: Sie wandte sich an Spezialisten außerhalb ihres Bereichs, in diesem Fall an die Air Force und ihr Trainingsprogramm, das die Methode des "Waterboarding" enthält.
Manches aus den CIA-Aufzeichnungen weckt die Erinnerung an Hannah Arendts berühmte Worte von der "Banalität des Bösen". Eines der erschütterndsten Dokumente, die diese Woche veröffentlicht wurden, ist ein von Ex-Vizepräsident Dick Cheney verlangter CIA-Bericht, der zeigen sollte, wie gut das Verhörprogramm funktioniert. Darin wird aufgelistet, dass (im Jahr 2004) 3800 der insgesamt 6600 Geheimdienstberichte über Al Kaida auf Ergebnissen von Verhören beruhten.
Die Botschaft für alle Beteiligten ist nicht zu überhören: Hier geht es um Zahlen, um Statistik. Kein Wunder, dass die CIA froh ist, die Verhörarbeit los zu sein.
Übersetzung: Redaktion