Zum Hauptinhalt springen

Die richtige Wahl

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Es wird viel über Änderungen im Wahlrecht diskutiert, und - wie meist - bestimmt dabei der jeweilige Standort auch den Standpunkt. In Wien fordern VP, Grüne und Freiheitliche eine Reform, um die Begünstigung der Mehrheitspartei abzuschaffen. Im Bund wird das Gegenteil diskutiert: Das Verhältniswahlsystem durch ein Mehrheitswahlrecht zu ersetzen. Danach stellt die stärkste Partei auch die Regierung auf.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Keine quälenden Koalitions-Übereinkommen mehr, die zu Stillstand führen. Deutschland wäre so ein Beispiel: Die CDU/FDP-Koalition quält sich generell. Österreich in manchen Politikfeldern, wie Bundesstaatsreform, auch.

Großbritannien, aus dem das System "the winner takes it all" ursprünglich kommt, führt auch eine Wahlrechts-Debatte, allerdings in die andere Richtung. Denn es funktioniert nur in einem Zwei-Parteien-System problemlos, in dem es sonst nur unbedeutende Splittergruppen gibt. Die Tories haben nun die Wahl gegen Labour eindeutig gewonnen, aber wegen einer dritten starken Partei (Liberaldemokraten) keine Mehrheit im britischen Parlament. Nun wird in London der Umbau in ein stärkeres Verhältniswahlrecht angegangen. Die siegreichen Konservativen könnten zwar eine Minderheitsregierung bilden, doch was wäre daran demokratisch? Eine Partei mit 29 Prozent der Stimmen soll 100 Prozent der Macht erhalten? Nächstes Jahr wären wieder Wahlen.

Wenn es um die Umsetzung politischer Vorhaben geht, wäre dagegen das Mehrheitswahlrecht günstig. Alles ginge schneller, koalitionäre Abstimmungen könnten entfallen. Es würde öfters einen umfassenden Politikwechsel geben, was durchaus erfrischend ist.

Ein Blick auf die in Zukunft immer stärker europäisierte Politik, mit immer weniger nationalen Handlungsmöglichkeiten, spricht aber eindeutig für das Verhältniswahlrecht. Es wird in Zukunft immer unwichtiger, welcher Partei ein nationaler Regierungschef angehört. Die Stabilitätskriterien schleifen weltanschauliche Unterschiede ab. So bleibt der demokratische Aspekt übrig: Im Nationalrat sitzen die Parteien-Vertreter gemäß ihrer vom Wähler bestimmten Stärke. Auch Großbritannien befindet sich auf dem Weg nach Europa - unter anderem beim Wahlsystem.