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Die Risiko-Wahl

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Die größte Gefahr ist, dass die Hofburg-Wahl zur Frustwahl wird. Das ist nicht zwingend, aber möglich.


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Von all den Wahlen, die in den kommenden Wochen und Monaten in Österreich anstehen, birgt eine einen ganz besonderen Unsicherheitsfaktor, und zwar für die gesamte Republik.

Natürlich wäre es historisch, wenn im "heiligen Land" Tirol, diesem durch und durch schwarzen Kernland der ÖVP, diese Volkspartei nach den Wahlen am 25. September nicht mehr den Landeshauptmann stellen würde. Historisch schon, aber eben nicht österreichbewegend; dazu verfügt das Land mit 764.000 Einwohnern einfach nicht über genug Gewicht. Der Verlust der Macht in Tirol wäre daher vor allem ein innerparteiliches Problem für die ÖVP.

Das ließe sich grundsätzlich auch von Niederösterreich sagen, wo Anfang 2023 Landtagswahlen anstehen, nur ist das Land unter der Enns ein anderes Kaliber. Niederösterreich spielt für die ÖVP eine ähnliche Rolle, wie Wien für die SPÖ. Der Machtverlust würde die beiden Parteien in ihrem Inneren erschüttern und allein deshalb weitreichende Folgen für die Republik haben.

Aber in Tirol und noch ungleich mehr in Niederösterreich ist allen - das heißt in diesem Fall: der ÖVP - klar, was auf dem Spiel steht. Und trotz aller Turbulenzen, in denen die Volkspartei feststeckt, besteht die Aussicht, dass sie in Tirol den Landeshauptmannposten für sich rettet und in Niederösterreich, wo Rot, Blau und Grün weit davon entfernt sind, einen Herausforderer zu stellen, mit einem bloßen Dämpfer davonkommt. Dies deshalb, weil alle ÖVP-Sympathisanten wissen, was auf dem Spiel steht, und weil die Landesparteien auch bei Gegenwind aus Wien mobilisieren können.

Der Urnengang, der über keine solchen Stabilisatoren verfügt, ist die Wahl eines neuen Bundespräsidenten am 9. Oktober. Und weil weder ÖVP noch SPÖ oder Neos vorderhand dabei ureigene Interessen im Feuer haben, steckt in dieser Abstimmung das Risiko, dass sich all der Wut, Frust und Enttäuschung, die sich in diesem Land gegen "die da oben" aufgestaut hat, entlädt.

Amtsinhaber Alexander Van der Bellen, der sich um eine Wiederwahl bewirbt, genießt viel Wohlwollen und die Sympathie, gerade auch bei den Multiplikatoren und Entscheidern; und die Umfragen, die ihm derzeit einen Stimmenanteil von 60 Prozent und mehr ausweisen, machen es wahrscheinlich, dass er sich bereits im ersten Wahlgang durchsetzt.

Doch es existiert eben auch ein Restrisiko. Und wenn die Stimmung zu kippen droht, gibt es viele, die in der ersten Reihe sitzen - und bloß zusehen. Weil sie sich nicht betroffen fühlen. Das wäre dann allerdings ein wirklich schwerer Irrtum.