Während Europa Roboter besteuern will, fördert China deren Einsatz gezielt - möglicherweise der schlauere Plan.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Seit immer klarer sichtbar wird, dass Roboter und Computer schon in der näheren Zukunft viele Jobs besorgen werden, die heute noch von dazu eigens angestellten und dafür entlohnten Menschen erledigt werden, stellt sich die eher ungemütliche Frage, wie der Sozialstaat eigentlich finanziert werden soll, wenn immer weniger steuerzahlende Homo sapiens und immer mehr nicht-steuerzahlende Maschinen in den Fabriken werken. Denn je nach herangezogener Studie werden angeblich 30, 40 oder - einer jüngsten Horrorprognose aus dem Silicon Valley zufolge - sogar 80 Prozent aller Arbeitsplätze von der Digitalisierung gefressen werden.
Auch in Österreich wird diese Frage eher früher als später beantwortet werden müssen; und sie eignet sich durchaus gut dafür, ein Thema im kommenden Wahlkampf zu sein. Nicht nur die Sozialdemokraten neigen dazu, künftig eben auch nichtmenschliche Arbeitskraft so ähnlich zu besteuern wie heute die menschliche. Das heißt dann meistens "Wertschöpfungsabgabe" und ist im europäischen politischen Diskurs die vermutlich am öftesten genannte Therapieform für das Problem.
Einen konträr entgegengesetzten und hochinteressanten Weg geht seit Neuestem das vermeintlich kommunistische China. Im Perlfluss-Delta, dem industriellen und ökonomischen Powerhouse im Süden der Volksrepublik (genauer in der Provinz Guangdong), wo tausende Hochtechnologie-Unternehmen eine gewaltige wirtschaftliche Dynamik entfaltet haben, fördert die Regierung nun gezielt Investitionen in Roboter und Automatisierung von Fabriken, anstatt diese zu besteuern. Die dem zugrunde liegende Logik ist der in Europa verbreiteten genau entgegengesetzt: Nur ganz besonders produktive Unternehmen, so argumentiert Chinas ökonomische Führung, seien imstande, im globalen Wettbewerb zu bestehen und damit auch Arbeitsplätze zu sichern oder zu schaffen. Um aber an der Spitze der Produktivität zu stehen, sei ein möglichst hoher Grad an Roboterisierung der Industrie zwingend notwendig. Also behindert der Staat das nicht durch Steuern und Abgaben, sondern gewährt sogar finanzielle Anreize für die Anschaffung von Robotern.
Nicht wenig spricht dafür, dass die Chinesen da auf dem richtigen Dampfer sind. Denn interessanterweise stimmt empirisch die landläufige Annahme, mehr Roboter würden mehr menschliche Arbeitslose bedeuten, nicht im Geringsten. Ganz im Gegenteil: Jene Staaten, in denen die meisten Roboter am Fließband stehen, haben die niedrigsten Arbeitslosenzahlen. Deutschland, Japan und vor allem das Roboter-Mekka Südkorea widerlegen die Robo-Phobie der Fortschrittsängstlichen überzeugend: In Südkorea etwa liegt die Arbeitslosenrate seit Jahren konstant bei rund 3,5 Prozent - und das, obwohl dort bereits 531 Industrieroboter auf 10.000 Arbeiter kommen (in Japan und Deutschland je 300, in den USA nur 176).
Dagegen ist die Arbeitslosigkeit gerade in jenen Staaten, die Roboter eher nur aus Science-Fiction-Romanen kennen, besonders hoch, etwa im europäischen Süden. Wohlstand entsteht eben dort, wo möglichst viele Menschen möglichst produktiv arbeiten - und nicht dort, wo Produktivität besteuert wird.