Gerade in komplexen Unternehmensstrukturen ist es nicht mehr zeitgemäß, die Einhaltung der steuerlichen Pflichten der viel zitierten "langjährig bewährten Fachkraft" zu überantworten.
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Digitalisierung und Technologisierung sind derzeit in aller Munde. Die erste TaxTech-Konferenz am 15. Mai dieses Jahres widmete sich einen kompakten Tag lang der konkreten Herausforderungen von Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Blockchain und Automatisierung im Steuerberatungsbereich mit konkreten Informationen von Steuerberatungsexperten in allen Größen - von Big4 über Next10 bis klein, Corporates wie die A1 oder OMV, von Universitäten und TaxTech-Start-ups.
Experten diskutierten bei der ersten TaxTech-Konferenz
Ein ganz konkretes Thema, das viele beschäftigt, war: die Rolle der Digitalisierung im Finanz-strafrecht. Auf diesem Panel diskutierten die Experten Stefan Schuster (A1), Gerald Dipplinger (PWC), Hilmar Erb, (Rechtsanwalt, SSW München) und Mario Felice (BMF) unter meiner Moderation. Der Konnex ist offensichtlich: Eine Abgabenverkürzung alleine reicht nicht aus, um ein strafbares Verhalten zu setzen. Auch sorgfaltswidriges und schuldhaftes Verhalten sind Tatbestandsvoraussetzungen.
Der Einsatz von Technologie ist somit im Lichte sorgfaltsgemäßen Verhaltens zu sehen. Dies stellt wiederum die Vertreter von Unternehmen vor durchaus spannende Fragen. Muss Technologie zwingend im Rahmen eines steuerlichen Compliance Managementsystems (Steuer-IKS) eingesetzt werden? Wenn ja, wie viel Technologie ist notwendig? Kann der Einsatz von Technologie auch zum Nachteil gereichen?
Klar ist, dass es gerade in komplexen Unternehmensstrukturen, wo steuerliche Fragestellungen in verschiedensten Unternehmensbereichen auftreten, nicht mehr zeitgemäß ist, die Einhaltung der steuerlichen Pflichten der viel zitierten "langjährig bewährten Fachkraft" zu überantworten. Der Einsatz von Technologie erscheint hier unerlässlich - der Dynamik der Geschäftsabläufe angepasst -, die korrekte Steuerfindung bestmöglich sicherzustellen.
Systemgestützte Echtzeitkontrollen werden daher wohl vor allem in den zentralen Geschäftsbereichen mit hohem Fehlerpotenzial unerlässlich sein. Die gute alte Stichprobenkontrolle wird bei einem risikobasierten Kontrollansatz dagegen eher jenen Bereichen vorbehalten bleiben, wo Fehler über einen längeren Zeitraum - etwa aufgrund eines einfachen und stabilen steuergesetzlichen Umfeldes - kaum zu erwarten sind. Was das monetäre Ausmaß einzusetzender Technologie betrifft, wird der Steuerpflichtige wohl auch am Ressourceneinsatz der prüfenden Behörde gemessen werden.
Schnittstelle Mensch und Maschine als Fehlerquelle
Wer allerdings glaubt, die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten mit strafbefreiender Wirkung zur Gänze an Maschinen und Computerprogramme abgeben zu können, der irrt gewaltig. Die Schnittstelle Mensch und Maschine gilt nach wie vor als eine der häufigsten Fehlerquellen im Compliance-Bereich. Tatsächlich wird von Steuerverantwortlichen immer mehr verlangt, über den fachlichen Tellerrand zu blicken, um etwa operative Geschäftsabläufe zu verstehen und einem IT-Techniker so verständlich zu machen, dass letztlich systemunterstützt eine korrekte Steuerfindung ermöglicht wird.
Tendenziell durchläuft der inhouse Steuerexperte der Gegenwart daher eher die Mühen der Ebene, als dass er sich in komplexen steuerlichen Fragestellungen versteigt. Im Freestyle unterwegs bleibt ihm wohl nur abzuwarten, dass die Zukunft erhellende Rechtsprechung bringt, die ihm als zumindest grobe Leitlinie für den sorgfaltsgemäßen Einsatz von Technologie dienen kann.