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"Die Rolle des Kampfhubschraubers hat massiv abgenommen"

Von Daniel Bischof

Politik

Gerfried Promberger, Kommandant der österreichischen Luftstreitkräfte, über den Ukraine-Krieg, Drohnen und den neuen "Top Gun"-Film.


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Nach der Corona-Pause findet am Freitag und Samstag wieder die "Airpower" im steirischen Zeltweg statt. Die Flugshow wird vom Bundesheer mit den Partnern Land Steiermark und Red Bull veranstaltet. Die "Wiener Zeitung" sprach im Vorfeld mit Gerfried Promberger, dem Kommandanten der österreichischen Luftstreitkräfte, über die Bedeutung der Luftwaffe im Ukraine-Krieg, Drohnen und die Nachfolge für den Eurofighter.

"Wiener Zeitung": In Analysen zum Ukraine-Krieg wird viel über die Bedeutung der Kampfpanzer, der Drohnen und Artillerie geschrieben. Kampfjets und Kampfhubschrauber kommen darin weniger vor: Spielen sie in diesem Krieg eine untergeordnete Rolle?

Gerfried Promberger: Die Luftstreitkräfte spielen in jeglicher Form der Kriegsführung eine wichtige, wenn nicht entscheidende Rolle. Sie fügen viele Elemente in das Gesamtbild ein - von der Aufklärung bis hin zu Bombereinsätzen, die es von den Russen genauso gab im Ukraine-Krieg. Das defensive Element ist wiederum der Abfangjäger, der auch von der ukrainischen Seite eingesetzt wird. Was massiv abgenommen hat, ist die Rolle des Kampfhubschraubers, seitdem schultergestützte Fliegerabwehrlenkwaffen eingesetzt werden: Das hat sich wirklich relativiert.

Ist denn die Luftabwehr so viel besser im Vergleich zu früher?

Da hat es massive Entwicklungsschritte gegeben. Es gibt viele Programme, die hochtechnisch, vernetzt und sehr effizient sind.

An Bedeutung gewonnen haben auch Drohnen. Wie sind sie in den Luftstreitkräften einzuordnen?

Sie sind eine perfekte Ergänzung in vielerlei Hinsicht. Wenn ich eine Drohne verliere, muss ich mir keine Sorgen um die Rettung des Piloten machen. Ich kann bewusst Drohnen vorschicken, bevor ich bemannte Luftfahrzeuge nachschicke. Bei dieser "Zielsättigung" gibt es so viele Ziele gleichzeitig, dass die gegnerische Fliegerabwehr sie nicht alle bekämpfen kann. Drohnen können Ziele auch mit Lenkwaffen bekämpfen, sie können zur Aufklärung und zum Stören des elektromagnetischen Spektrums eingesetzt werden. Hinzu kommt, dass moderne Drohnensysteme 12 bis 24 Stunden oder je nach Typ noch länger in der Luft bleiben können. Daher ist auch die Drohnenabwehr heutzutage ein wesentliches Element der bodengebundenen Luftabwehr.

Laut Berichten dürfte Russland offenbar teils Probleme haben, die von der Ukraine verwendeten Drohnen abzuschießen. Woran liegt das?

Wir haben erste Analysen dazu. Es wäre aber verfrüht, zu sagen: Das ist die exakte Ursache, da es viele Zusammenhänge gibt. Es hängt etwa von der Größe und der Flughöhe und der Bauweise ab. Es gibt die Möglichkeit, die Oberflächen der Drohnen so zu beschichten, dass die Radarreflexionsfläche reduziert wird.

Militäranalysten gingen zu Beginn des Krieges davon aus, dass Russland schnell die Lufthoheit im Krieg erlangen wird. Das ist den Russen aber bis heute nicht gelungen. Warum nicht?

Weil auch die Ukraine eine entsprechende Luftverteidigung samt bodengebundener Luftabwehr hat. Da hat es auch bei der Ukraine massive Entwicklungsschritte gegeben.

Welche Lehren können Luftstreitkräfte aus dem Kriegsverlauf ziehen?

Dass ohne bodengebundene Flugabwehr Landstreitkräfte kaum noch eingesetzt werden können. Mechanisierte Kräfte am Boden brauchen einen Schutz gegen gegnerische Luftstreitkräfte. Wenn man diesen Schutz nicht hat, sitzt man wie am Präsentierteller. Daher brauche ich nicht nur eine stationäre, sondern auch eine mobile Fliegerabwehr, welche die Landstreitkräfte begleiten kann.

Wechseln wir nach Österreich. Am Freitag und Samstag findet nach der Corona-Pause wieder die "Airpower" statt. Um was für eine Veranstaltung handelt es sich dabei?

Es ist nicht nur eine Veranstaltung der Luftstreitkräfte, sondern des gesamten Bundesheeres. Vieles wird für die allgemeine Einsatzvorbereitung verwendet: Denn die Flugmanöver, die wir dort fliegen, müssten wir sowieso absolvieren. Es ist großartig, der Öffentlichkeit zu zeigen, was wir können, aber auch, was wir noch brauchen. Die Sparjahre haben bei uns massive Nachwirkungen, und es sind Fähigkeitslücken entstanden.

Welche?

Die bodengebundene Luftabwehr ist bei uns völlig unzureichend. Wir haben Fähigkeitslücken, an denen wir arbeiten. Wir brauchen höher fliegende Drohnen, die längere Distanzen fliegen können, aber auch Elemente für die Drohnenabwehr. Beim Eurofighter brauchen wir was, um fremde Flugzeuge in der Nacht identifizieren zu können. Wenn wir die aktive Luftraumüberwachung (Jets steigen auf und eskortieren unbekannte Flugzeuge aus österreichischem Luftraum, findet nur teilweise zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang statt, Anm.) ausdehnen wollen, benötigen wir mehr Personal, Flugstunden und gegebenenfalls ein zweites Flugzeugsystem.

Als Datum für die Ablöse des Eurofighters im Bundesheer wird das Jahr 2035 genannt. Militärische Beschaffungen haben aber eine lange Vorlaufzeit. Wann muss man denn mit der Anschaffung beginnen?

Im Jahr 2035 müssen die Eurofighter spätestens abgelöst werden. Diese Beschaffungsvorhaben sind mehrjährige Vorhaben, wo die zuständigen Abteilungen fünf bis acht Jahre vorher damit beginnen. Aber das ist nicht nur eine technische und betriebliche, sondern vor allem eine politische Frage.

Der Eurofighter-Kauf war von jahrelangen Strafverfahren, U-Ausschüssen und politischen Kämpfen begleitet. Wie verhindert man, dass es wieder so läuft?

Bei einem "Government to Government"-Vertrag gibt es keine Lobbyisten. Es läuft sehr transparent ab, wie wir bei der Beschaffung der Hubschrauber (Leonardo AW-169M, die Österreich von Italien gekauft hat, Anm.) sehen. Das ist eine sehr saubere Angelegenheit.

Mit Kampfjets lassen sich derzeit offenbar auch Kino-Kassenschlager einfahren. "Top Gun: Maverick" zeigt spektakuläre Luftkämpfe und Manöver: Sind die denn realistisch?

Das ganze Paket hat natürlich ein Hollywood-Mascherl. So wie auch im ersten Film sind aber die Flugszenen sehr realistisch, und die Kommunikation im Cockpit und am Funk ist, bis auf ein paar Kleinigkeiten, exakt. Und dass die Fliegerei interessant ist, zeigt der Film auch.

In einer Szene wird in dem Film darüber spekuliert, dass die Zukunft der Luftstreitkräfte vollautomatisch sein und es keine Piloten mehr geben wird. Was meinen Sie?

Ich glaube, es wird zukünftig eine hybride Form geben: Ein bemanntes Flugzeug als Leitstelle und unbemannte Begleitflugzeuge, die von einer künstlichen Intelligenz gesteuert werden. Letztere können etwa vorausgeschickt werden, um Radarsysteme oder die gegnerische Fliegerabwehr zu bekämpfen. Aber die Luftfahrt ganz ohne Frauen und Männer im Cockpit: Das wird es nicht überall spielen.