So sehr Deutschland und Frankreich hinter ihrem Vorschlag zu einer Doppelspitze für die EU stehen, so wenig stößt er bei den designierten osteuropäischen Beitrittsländern auf Begeisterung. Mit einem gewählten "Vollzeitpräsidenten" des EU-Rats zusätzlich zu einem ebenfalls gewählten Kommissionspräsidenten würde der Einfluss der kleineren EU-Staaten schwinden, fürchten viele.
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Gerade ein dauerhaft amtierender Ratspräsident, der die bisherige Rotation des Postens überflüssig machen würde, erscheint den Ländern im Osten Europas übertrieben.
"Wir glauben nicht, dass diese Reform notwendig ist", sagt Henrik Hololei, der die estnische EU-Beitrittsbehörde leitet. "Eine doppelte Präsidentschaft der EU würde das Gleichgewicht zwischen großen und kleinen Mitgliedsstaaten durcheinanderbringen." Im übrigen, auch das betont Hololei, sei Estland "wie die Mehrheit der kleinen Staaten oder der künftigen Mitgliedsstaaten für eine starke Kommission" - ganz einfach deshalb, weil sie ein Vormachtstreben der größeren Staaten verhindern kann.
Auch Lojze Peterle, der Slowenien im EU-Verfassungskonvent vertritt, spricht sich deutlich gegen die geplante Doppelspitze aus: "Zwei Präsidenten zu haben, einen für den Rat und einen für die Kommission, das würde zu Wettstreit und Problemen führen und überdies ihre Wirksamkeit schmälern", schätzt der Ex-Ministerpräsident.
Die polnische Europaministerin Danuta Hübner hält sich mit einem Urteil zurück, aber auch sie ist besorgt: "Wir sind über diesen Kurswechsel (Deutschlands) überrascht, denn er lässt Fragen zum Verhältnis der beiden Präsidenten zueinander offen." Wenn der Konvents-Vorsitz diesen Vorschlag annehmen sollte, "müsste man ihn sehr gründlich in Augenschein nehmen, um alle möglichen Gefahren auszuschließen", warnt sie.
Außerdem sind die Beitrittsländer auch darüber nicht glücklich, dass die Ratspräsidentschaft unter dem "Doppelhut" nicht mehr alle sechs Monate rotieren würde: "Es wäre ein ernsthaftes Problem, wenn die Rotation als Symbol für die Gleichberechtigung der Mitgliedsstaaten genau zu dem Zeitpunkt aufhörte, zu dem Ungarn der EU beitritt", sagte Eszter Torda, eine hochrangige Vertreterin des ungarischen Außenministeriums.
Peter Lizak, Europabeauftragter im slowakischen Außenministerium, lobt den Nutzen der Rotation. Sie bringe "Bewegung, Verschiedenartigkeit und Vielfalt" in das Gremium: "Die Slowakei ist mit dem derzeitigen System der rotierenden Präsidentschaft zufrieden", stellt er klar.
So sieht das auch der slowenische Europabeauftragte Peterle: "Die Rotation der Präsidentschaft muss beibehalten werden, weil sie positive Auswirkungen hat und etwas Farbe reinbringt - so wie sich Griechenland jetzt zum Beispiel gut mit dem Balkan und dem Nahen Osten auskennt. Das macht das Ganze lebendiger." Auch Außenminister Dimitrij Rupel machte jüngst klar, dass Slowenien die Anschaffung der Rotaion ablehnt. Stattdessen sprach er sich für eine stärkere Rolle der Kommission aus.