Zum Hauptinhalt springen

Die rote Basis als große Unbekannte

Von Vilja Schiretz

Politik

Die 140.000 Mitglieder der SPÖ sind im Schnitt 63 Jahre alt. Viel mehr weiß man über die Basis nicht.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 1 Jahr in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Bei den Grünen gehört die Basisdemokratie seit jeher zur DNA der Partei. Die beiden Großparteien SPÖ und ÖVP haben darin noch weniger Übung. Doch nun sieht es aus, als könnte bald eine richtungsweisende Entscheidung in die Hände der Parteibasis gelegt werden: Pamela Rendi-Wagner oder Hans Peter Doskozil.

Letzterer, der am Dienstag ankündigte, um den Parteivorsitz kandidieren zu wollen, fordert in der Führungsfrage eine Mitgliederbefragung. Und auch beim Parteipräsidium am Mittwoch zeichnete sich zu Redaktionsschluss eine Einigung auf eine Kombination aus Mitgliederbefragung und einem außerordentlichen Parteitag im Anschluss ab. Grundsätzlich räumt das Parteistatut Mitgliedern das Recht ein, "bei der Entscheidung wichtiger politischer Fragen und bei der Auswahl von KandidatInnen der SPÖ nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Statutes mitzubestimmen", heißt es darin.

Rendi-Wagner bemühte das Instrument der Mitgliederbefragung bereits 2020, als sie den Mitgliedern die Vertrauensfrage stellte. Damals sprachen sich 71,4 Prozent für ihren Verbleib an der Parteispitze aus. Allerdings machten auch nur 42,65 Prozent der damals 157.800 Mitglieder von ihrem Stimmrecht Gebrauch.

Dass nun auch Doskozil auf eine solche Befragung drängt, mag angesichts einer aktuellen Umfrage von Unique Research für "Heute" überraschen. Während Doskozil in der Gesamtbevölkerung weitaus mehr Zuspruch bekam als die aktuelle Parteivorsitzende, stellten sich die befragten deklarierten SPÖ-Wähler mehrheitlich hinter Rendi-Wagner. 72 Prozent sahen sie als geeignet, Doskozil hingegen nur 45 Prozent.

SPÖ-Mitglieder kaum greifbar

Allerdings sind die Wähler nicht ident mit den Parteimitgliedern. Wer diese sind und was diesen wichtig ist, ist allerdings kaum greifbar. "Wir wissen praktisch nichts über die Präferenzen der SPÖ-Mitglieder", schreibt Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik auf Twitter. Zwei Zahlen kann die Bundespartei der "Wiener Zeitung" auf Nachfrage nennen. Einerseits, dass es aktuell rund 140.000 Parteimitglieder gibt. Andererseits, dass diese im Durchschnitt 63 Jahre alt sind. Dass die SPÖ ein Nachwuchsproblem hat, offenbart auch ein Blick auf die Mitgliederzahlen im Zeitverlauf: 1980 hatte die Partei noch mehr als 700.000 Mitglieder, seither sinkt die Zahl kontinuierlich ab - bei einer möglichen Mitgliederbefragung 2023 werden immerhin 17.000 Personen weniger wahlberechtigt sein als nur drei Jahre zuvor.

Jene Mitgliederbefragung ermöglicht auch den einzigen, groben Überblick über die Prioritäten der roten Basis. Schließlich hatten die Mitglieder abseits der Vertrauensfrage die Möglichkeit, die Wichtigkeit einzelner Themenbereiche zu bewerten. Die Stärkung des öffentlichen Gesundheitssystems wurde dabei am häufigsten als "sehr" oder "eher" wichtig bezeichnet, eine ähnlich große Bedeutung wurde dem Sicherstellen von Pflege als öffentliche Leistung sowie der stärkeren Besteuerung von Millionenvermögen und internationalen Großunternehmen zugeschrieben.

Am wenigsten Zustimmung gab es dagegen für mehr Polizisten, "weg mit der Mehrwertsteuer auf Mieten" und die Vier-Tage-Woche. Themenkomplexe wie Klimaschutz oder Migration rangieren im Mittelfeld. Wie die rote Basis zu Doskozil steht, ist offen. Eine Antwort kann darauf nur eine neuerliche Befragung geben.