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Die Rückkehr an den Verhandlungstisch ist unumgänglich

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Wien · Die NATO-Luftangriffe auf Jugoslawien können keine Lösung für den Kosovo-Konflikt bringen. Früher oder später werde man an den Verhandlungstisch zurückkehren müssen, betonte der EU- | Sonderbeauftragte für den Kosovo, Botschafter Wolfgang Petritsch, Dienstag abend in einem Vortrag im Renner-Institut. Der Vertrag von Rambouillet, den Petritsch mitverhandelt hat und den die Kosovo- | Albaner unterzeichneten, die Belgrader Regierung aber nicht, könnte als Grundlage für ein Friedensabkommen dienen.


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Die Tragik der NATO-Einsätze liege darin, daß das am balkan weit verbreitete Vorurteil, man könne Probleme mit Waffengewalt lösen, bestätigt werde, meinte Petritsch und betonte, daß man

eine Demilitarisierung der Köpfe brauche.

Petritsch wandte sich in seinem Vortrag gegen "neue Kosovo-Mythen", die in jüngster Zeit öfter zu hören seien. So seien die Verhandlungen von Rambouillet keinesfalls zu früh abgebrochen worden. Die

Hauptursache für das Scheitern der Verhandlungen liege vielmehr darin, daß Jugoslawiens Präsident Slobodan Milosevic eine Doppelstrategie verfolgt habe. Er habe sich einerseits so intensiv in die

Verhandlungen eingelassen, daß allgemein damit gerechnet wurde, daß Jugoslawien einem Kompromiß zustimmen würde, andererseits aber die militärische Aufrüstung konsequent betrieben. Offensichtlich

habe sich Milosevic klar auf einen Konfrontationkurs festgelegt.

In den drei Wochen zwischen der Konferenz von Rambouillet und dem Folgetreffen in Paris habe die serbische Seite nichts für die Aufklärung der eigenen Bevölkerung getan, etwa indem man darauf

hingewiesen hätte, welche Rechte für die serbische Minderheit im Kosovo durch die verhandlungen erreicht worden wären. Stattdessen habe man nur propagandistisch wiederholt, daß sich ein souveräner

Staat nicht leisten könne, das fremde Truppen auf seinem gebiet operieren. Petritsch, der in den letzten Tagen den Albanerführer Ibrahim Rugova zu Gesprächen in Rom getroffen hat, betonte, daß ihm

dieser über seine Gespräche mit Milosevic berichtet habe, daraus sei für ihn · Rugova · erkenntlich geworden, daß sich Milosevic überhaupt nicht mit den Verhandlungsergebnissen auseinandergesetzt

habe, So habe er z.B. nicht gewußt, daß die serbische Minderheit automatisch den Präsidentenposten im Kosovo-Parlament zugesprochen bekommen hätte.

Petritsch erklärte, auch über eine mögliche UNO-Friedenstruppe für das Kosovo würden Dinge behauptet, die so nicht stimmen, wie zum Beispiel, daß sie von einem souveränen Staat nicht akzeptiert

werden könne. Dem widersprach Petritsch. Es habe sich schon im Winter abgezeichnet, daß eine unbewaffnete Gruppe wie die OSZE-Beobachtermission zum Scheitern verurteilt sei. Nicht nur die

jugoslawischen Übergriffe, sondern auch die zunehmende Stärke der UCK machten eine internationale Friedenstruppe unter Leitung der UNO nötig, so Petritsch.

Petritsch verteidigte den Vertrag von Rambouillet als "ausgewogenen, fairen Kompromiß", der der serbischen Seite mehr gebracht hätte als der albanischen, da darin erstmals eine Garantie der

staatlichen Souveränität Jugoslawiens von Albanern unterschrieben wurde. Die NATO-Angriffe seien dennoch sinnvoll gewesen, da die Diplomaten "mit den Verhandlungen ans Ende gelangt" waren.

Zur Möglichkeit, nun wieder zu Verhandlungen zurückzukehren, sagte Petritsch, er habe immer die Linie vertreten, daß Krieg nichts löse. Früher oder später müsse man zurück an den Verhandlungstisch.

Die Verhandlungen könnten auf dem Vertrag von Rambouillet aufbauen, müßten aber die Ereignisse der vergangenen Wochen berücksichtigen. Insbesondere müsse die Vertreibung der Kosovaren

rückgängig gemacht werden. In diese Verhandlungen solle von Anfang an auch Rußland eingebunden werden. In diesem Zusammenhang begrüßte Petritsch ausdrücklich das Grundlagenpapier der G-8-

Staaten zur Beendigung des Kosovo-Konfliktes sowie die Bemühungen um einen Stabilitätspakt für die Region.