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Die Rückkehr der Elternverantwortung?

Von Ernst Smole

Gastkommentare
Ernst Smole war Berater der Bildungsminister Fred Sinowatz, Herbert Moritz und Helmut Zilk. Er koordiniert den "Unterrichts:Sozial:Arbeits- und Strukturplan für Österreich 2015 - 2030" (www.ifkbw-nhf.at).
© privat

Die Corona-Krise ist eine "Lernzeit" wie jede andere.


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Corona ist eine Katastrophe und mitnichten eine Chance. Eine "Lernzeit" für uns ist diese Krise allemal - auch in Hinblick auf die Elternverantwortung.

"Es ist eine Zumutung, dass ich nach der Arbeit noch die Schulhefte meiner Kinder ansehen soll! Da ist die Schule in der Pflicht!" So tönte es vor einiger Zeit anlässlich einer Debatte im Nationalrat - Beifallskundgebungen, kaum Widerspruch. "Die moderne Schule braucht die Eltern nicht, sie wird bald ganztägig und damit zeitgemäß sein, unsere bestens ausgebildeten Lehrer brauchen die Eltern nicht!" Dies war Mainstream des Bildungsvolksbegehrens im Jahr 2010 - zögerlicher, daher wirkungsloser Widerspruch. "Die Elternwünsche an die Bildungspolitik? Gute Noten für die Kinder und keine Belastung des Familienlebens mit Schulproblemen!" So die Antwort von Elternvertretern, als Anfang der 1970er der Unterrichtsminister das Motto ausgegeben hatte: "Für meine Bildungspolitik haben Elternwünsche absoluten Vorrang!" Neuen Datums ist diese Position: "Ich habe Probleme mit mir, mit den Kollegen, mit der Schulleitung, mit der Behördenbürokratie, manchmal auch mit den Schülern - ich brauche nicht auch noch Ärger mit den Eltern!" Oder: "An unserer Schule gilt das Motto: Hunde und Eltern haben keinen Zutritt!" Dies beklagt eine Lehrerin, die sich hingebungsvoll um die Zusammenarbeit mit den Eltern bemüht und damit oft am Schulklima scheitert.

Nein, die Eltern haben nicht aufgehört, sich Gedanken über ihre Kinder und die Schule zu machen. Vermehrt versuch(t)en sie, sich mit Hilfe von Beratungsbüchern schlau zu machen. "Viele Eltern verfügen über drei Meter Beratungsliteratur: Entwicklungsfragen, Sexualkunde, anstrengungsloses Lernen, innerfamiliäre Konfliktumgehung", meint dazu der renommierte deutsche Schulexperte Josef Kraus. Er stellt allerdings auch fest: "Der Wert vieler dieser Bücher ist, dass man mit ihnen ein wärmendes Feuerchen anheizen kann."

Der verhängnisvolle Schlachtruf "Schule muss die Stärken stärken und die Schwächen hinwegignorieren" hat via Beratungsliteratur sogar Eingang in die bildungspolitische Debatte gefunden. In Wahrheit geht es aber darum, den "Motivationsflow", der aus dem erfolgreichen "Stärken der Stärken" entsteht, zur Behebung der Schwächen zu nutzen. Doch dies ist Arbeit - für die Schüler, für die Lehrer und auch für die Eltern.

Corona ist in diesem Zusammenhang ausschließlich eine Katastrophe. Wer hier von "Chancen" faselt, beweist, dass er von den Lebenswelten jener Millionen, deren Einkommen abrupt auf null gestürzt ist, nicht die mindeste Ahnung hat. Erkenntnisfähige und reflektierende Menschen lernen immer - in positiven Zeiten in Richtung Optimierung, in schwierigen Phasen ist Problembehebung angesagt. In diesem Sinne ist die Corona-Krise eine "Lernzeit" wie jede andere.

Zigtausende Eltern haben in den vergangenen Wochen staunend ihre Fähigkeit entdeckt, oft sogar ihre Freude daran, ihre Kinder beim "Home Learning" zu unterstützen. Würde dies in der Post-Corona-Phase Eingang in die Schulkultur finden, wäre dies ein Zeichen dafür, dass diese Krise als nachhaltig wirksame "Lernzeit" genutzt worden ist.

Können alle Eltern ihren Kindern helfen? Ja, wenn auch auf unterschiedliche Weise.