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Auf dem Tory-Parteitag sieht sich David Cameron Druck von allen Seiten gegenüber.
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London. Einfach wird David Cameron es diese Woche nicht haben. Beim Jahreskongress der britischen Konservativen in Birmingham, der am Sonntagabend begann und am Mittwoch mit Camerons Ansprache seinen Höhepunkt erreicht, muss sich der Partei- und Regierungschef gegen allen möglichen Druck behaupten.
Knapp zweieinhalb Jahre nach seinem Einzug in der Downing Street sieht sich der Tory-Premier gleich an mehreren Fronten in Bedrängnis. In den eigenen Reihen mehren sich die Stimmen, die eine härtere Gangart gegenüber dem liberaldemokratischen Koalitionspartner, etwa in der Finanz- und der Europa-Politik, fordern. Derweil suchen sich die Liberaldemokraten ihrerseits von Camerons Kurs mehr und mehr abzusetzen. Und auf den Oppositionsbänken rührt sich neues Leben: Letzte Umfragen des YouGov-Instituts sehen die Labour Party schon um 14 Prozent vor den Konservativen liegen. Die nächsten Wahlen sind freilich erst in zweieinhalb Jahre. Und solange die rechtsliberale Koalition nicht vor Mai 2015 auseinander bricht, droht Cameron Gefahr eher von den eigenen Parteigängern.
Argwöhnisch hat die Tory-Rechte ja von Anfang an den "Modernisierer" Cameron beobachtet, der 2010 keine eigene Mehrheit schaffte. Jetzt, wo sich die Wirtschafts- und Finanzprobleme in Großbritannien häufen, beginnt sich die Rechte für eine Kraftprobe zu rüsten. Die Thatcheristen im Tory-Lager wollen mehr Steuersenkungen fürs Bürgertum, rascheren Abbau von Sozialleistungen und kühnere Privatisierungs-Aktionen sehen - und nicht länger eine "Aufweichung" sozialkonservativer Werte hinnehmen. Die "metropolitane Elite" der Tory-Führung begreife nicht die Wünsche ihrer traditionellen Wählerschaft, hat Camerons ehemaliger Verteidigungsminister Liam Fox vorige Woche offenbart. Fox findet außerdem, dass sein Land "problemlos" außerhalb der Europäischen Union existieren könne. Wie er verlangen immer mehr Tory-Abgeordnete den baldigen Austritt ihres Landes. Fast schon naheliegend erschien es da, dass Cameron und seine Innenministerin Theresa May am Montag laut darüber nachdachten, den freien Zuzug von EU-Bürgern ins Vereinigte Königreich zu beschränken. Das ist zwar ein klarer Verstoß gegen den Kern der Verträge, doch zur kurzfristigen Besänftigung des konservativen Flügels erschien es gerade recht.
Cameron muss zudem zusehen, was er von der in Oppositionsjahren mühsam erarbeiteten "Entgiftung" seiner Partei in die nahe Zukunft herüberretten kann. Nicht nur ist seine beharrliche Proklamation von Volksnähe vielen Briten wieder verdächtig geworden. Sein Gelöbnis von 2010, das staatliche Gesundheitswesen unangetastet zu lassen, ist längst auch der Regierungspolitik zum Opfer gefallen. Und Behinderte und sozial Schwache, die sehr viel weniger Beistand erhalten als vor 2010, haben die Konservativen bereits wieder zur "garstigen Partei" erklärt. Das nämlich war der Beiname, mit dem die heutige Innenministerin vor zehn Jahren einmal ihrer Partei einen Spiegel vorzuhalten suchte.