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Die Rückkehr der Kalten Krieger

Von Daniel Jahn

Politik

Washington - "Männer ohne Vergangenheit", lautet der Titel auf einem fiktiven Filmplakat, das die liberale US-Zeitung "Washington Post" veröffentlichte. In den Hauptrollen dieser "Produktion des Weißen Hauses": Elliott Abrams, John Poindexter und Henry Kissinger. Sie seien die Männer, "die auf das Kurzzeitgedächtnis der Öffentlichkeit zählen", und bereit seien, "wieder in die Reihen der Mächtigen aufzusteigen".


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Die beißende Satire galt dem erstaunlichen Comeback dreier Kalter Krieger, denen der Morast von Skandalen an den Füßen klebt. Doch ihre zwielichtige Vergangenheit stellte für Präsident George W. Bush kein Hindernis dar, sie wieder in Amt und Würden einzusetzen.

Abrams wurde vergangene Woche zum Direktor für die Nahostpolitik im Weißen Haus befördert. In den 80er Jahren war er als Abteilungsleiter im State Department eine zentrale Figur der Iran-Contra-Affäre: geheime Waffenlieferungen an den Iran, aus deren Erlös illegal die antisandinistische Contra-Guerilla in Nicaragua finanziert wurde. Admiral Poindexter war damals Chef des Nationalen Sicherheitsrats und überwachte den Iran-Contra-Deal. Seit Februar leitet er ein umstrittenes Büro des Pentagon, das für den Anti-Terror-Kampf in großem Stil die digitalen Daten von Bürgern auswerten soll. Ex-Außenminister Kissinger wiederum zeichnete unter anderem für "geheime" Bombardements in Kambodscha verantwortlich und soll auch beim blutigen Militärputsch in Chile die Finger im Spiel gehabt haben. Jetzt wurde er beauftragt, möglichen Pannen der Sicherheitsbehörden vor den Anschlägen des 11. September nachzugehen.

Allen drei Figuren sei gemein, dass sie seinerzeit dem Kongress, der Opposition und der Öffentlichkeit mit "Verachtung" begegnet seien, schrieb der Historiker und Kolumnist David Greenberg in der "Washington Post". Heute profitieren Abrams und Poindexter nach Analyse dieses Experten davon, dass die Erinnerung an den Iran-Contra-Skandal verblasst ist. So sind unter Bush junior noch weitere Figuren dieser Affäre in hohe Position gelangt: John Negroponte, damals Botschafter in Honduras, ist Botschafter bei der UNO, Otto Reich, damals für die antisandinistische Propanda zuständig, Sonderbeauftragter für die westliche Hemisphäre im Außenministerium.

Mit Abrams wurde jetzt ein "Falke" zum Nahost-Koordinator ernannt, der vor 25 Jahren vor Gericht gestand, den Kongress über den Iran-Contra-Deal belogen zu haben. Abrams wurde verurteilt, aber von Bush Vater kurz vor dem Abschied aus dem Weißen Haus begnadigt. Poindexter, der jetzt ein großangelegtes Schnüffelprogramm für das Pentagon entwickelt, wurde 1990 zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilt, ebenfalls weil er den Kongress betrogen hatte. Doch auch er entging seiner Strafe. Das Urteil wurde aus formalen Gründen wieder aufgehoben, weil Aussagen Poindexters verwendet worden waren, die er unter dem Schutz der parlamentarischen Immunität gemacht hatte.