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Die Rückkehr der schwarzen Bünde

Von AnalyseWalter Hämmerle

Politik

Wien. Mäuschen hätte man sein sollen. In diesem Fall hätte man hautnah und dennoch unbemerkt verfolgen können, was sich tatsächlich in der langen Nacht vom 7. auf den 8. Jänner im engsten Führungskreis der ÖVP abgespielt hat. In jener Nacht, in der die politische Karriere von Karl-Heinz Grasser ihr Ende fand und Wilhelm Molterer zum neuen starken Mann der Volkspartei aufstieg.


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Grassers Aufstieg zum Vizekanzler und Finanzminister scheiterte am Widerstand im Parteivorstand. Der Finanzminister beharrte auf einem einstimmigen Vertrauensvotum, Tiroler und ÖAAB verweigerten ihm die Gefolgschaft.

Anfang vom Ende des Systems Schüssel

Gut möglich, dass dieser Aufstand den Anfang vom Ende des - ebenso viel gepriesenen wie gescholtenen - Systems Schüssel ankündigte. Im Kern beruhte es auf der de facto Entmachtung der einstmals übermächtigen Bünde in der Partei. Deren innerparteiliche Rivalität trug wesentlich zum steten Niedergang der Volkspartei in den 80er und 90er Jahren bei. Schüssel gelang es bei seinem Amtsantritt als Obmann 1995, diese selbstzerstörerischen Grabenkämpfe zu beenden und der Partei ein zuvor ungeahntes Maß an innerer Geschlossenheit abzuringen. Dass darob die innerparteiliche Diskussionskultur verkümmerte, war der Preis für die nach außen getragene Geschlossenheit.

Damit könnte es nun aber vorbei sein. Natürlich lassen sich gute Gründe für das Nein der Tiroler Landespartei und des Arbeitnehmerflügels zu Grasser finden, die sich an der Person von Günther Platter festmachen lassen: Der bisherige Verteidigungsminister und künftige Innenminister wäre aus der Regierung geflogen. Platter ist aber nicht nur Tiroler, sondern auch ÖAAB-Landesobmann und jener Kandidat, der am 1. Oktober österreichweit die meisten Vorzugsstimmen ergatterte.

Nicht zufällig stand wohl auch Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol in der ersten Reihe der Grasser-Verhinderer. Im nunmehrigen Seniorenbundobmann hätten, so meinen Beobachter, gleich zwei Motive in die gleiche Richtung gewirkt: Der bekennende Konservative hegte beharrliche Zweifel an der ideologischen Prinzipienfestigkeit des auch in gesellschaftspolitischen Fragen als liberal geltenden Sunnyboys der Innenpolitik. Und auch der Tiroler in Khol hatte nicht wirklich viel Spielraum.

Tirol und ÖAAB

kämpften kaum allein

Es ist aber kaum anzunehmen, dass Khol und ÖAAB-Chef Fritz Neugebauer mit ihrer Revolte allein auf weiter Flur kämpften. Sehr viel mehr spricht dafür, dass sie sich lediglich am weitesten nach außen lehnten, aber ganz im Sinne manch anderen agierten, die sich lieber im Hintergrund hielten.

Das könnte etwa auf den mächtigen Wirtschaftsbund zutreffen, der im jüngsten Postenkarussell weitgehend leer ausging. Vielleicht kommt ja der Nachfolger des künftigen Sportstaatssekretärs Reinhold Lopatka im Amt des Generalsekretärs aus dem Unternehmerflügel - womöglich gar mit Unterstützung des Arbeitnehmerbundes.

Vielleicht liegt im drohenden Verlust der inneren Geschlossenheit auch das Motiv für Schüssels überraschenden Wechsel an die Klubspitze: Hier kann der abtretende Langzeitobmann am ehesten seinem politischen Weggefährten und Nachfolger Molterer in der kritischen Übergangsphase die Mauer machen - quasi "aus Treue für seinen Willi", wie es ein ÖVP-Insider formuliert. Denn dass Schüssel aus purem Spaß an der Arbeit vom Bundeskanzleramt ins Hohe Haus wechselt, glaubt in der ÖVP so gut wie niemand.

Bleibt die Frage, in welcher Konstellation die Volkspartei bei den kommenden Nationalratswahlen antritt: Dass sich Josef Pröll, Landwirtschaftsminister und schwarze Zukunftshoffnung, nicht offensiver um ein massenwirksameres Ressort bemüht hat, sehen manche als Indiz für einen baldigen Wechsel in den Raiffeisenkonzern. Dessen General Christian Konrad würde Pröll angeblich gerne als seinen Nachfolger sehen. In diesem Fall könnte es passieren, dass Molterer als Spitzenkandidat antreten muss, obwohl er eigentlich gar nicht will. Der ÖVP stehen zweifellos spannende Zeiten bevor.