Für manche ist es falsche Rechtschreibung, für andere Provokation.
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Wien. "Bite hohdojč" ist auf dem ausgewaschenen T-Shirt des Mittfünfzigers zu lesen. "Die Leute aus dem ehemaligen Jugoslawien verstehen es sofort", erklärt Goran Novakovic amüsiert. "Aber nur die, die in Österreich leben", fügt er hinzu. Für Österreicher ist die unverständliche Aneinanderreihung von Buchstaben erst einmal eine harte Nuss. "Die meisten würden es zunächst mit Englisch versuchen, was sehr lustig klingt", erklärt Goran Novakovic. Dabei bedeutet der schlichte Schriftzug einfach nur umgangssprachlich "Bitte Hochdeutsch", ausgeschrieben im serbokroatischen Alphabet.
Seit über zwei Jahren sorgt der gebürtige Serbe Goran Novakovic mit seinen T-Shirts für Sprachverwirrung in Wien. Der studierte Literaturwissenschafter und Germanist lebt seit über zwanzig Jahren im 7. Bezirk in Wien und arbeitet als Sprachlehrer und Übersetzer. 2012 gründete er sein eigenes Modelabel für T-Shirts und Taschen, die er online über www.vajtundbrajt.com und im "étagerè" in der Lindengasse in Neubau verkauft.
Deutsche Wörter werden in der Schrift der Ex-Jugoslawen und in türkischer Schrift dargestellt. Goran Novakovic liebt solche Widersprüche. Auf seinen "Ti-rts" steht ""viner me" "ojfori", "fraysafend" "feriden", usw. "Das ist die Rückkehr des Hatschek", erklärt er ganz euphorisch. Der "Hatschek", das kleine Häkchen über dem "c", "z" und "s", ist bei der Eindeutschung der vielen slawischstämmigen Wiener verloren gegangen. Den bringt er jetzt wieder in die Stadt zurück, meint er schelmisch. Für viele ist es nur falsche Rechtschreibung, für manche sogar eine Provokation.
Als die ersten T-Shirts von vajtundbrajt vor mehr als zwei Jahren in Umlauf kamen, gab es Aufregung von Seiten der FPÖ. Auch die "Kronen Zeitung" hat sich damals drangehängt und von der "Verhunzung der deutschen Sprache" geschrieben, von einem "Kniefall vor den Zuwanderern". Bis zu einer parlamentarischen Anfrage, ob sein Projekt öffentliche Förderung erhalte, war es gekommen.
Aber was die FPÖ und die "Kronen Zeitung" verärgerte, sind nicht nur schlichte weiße T-Shirts mit einer grafisch reduzierten Typografie. Es ist die schriftliche Übersetzung des ausländischen Akzentes in die deutsche Sprache. Die Mehrsprachigkeit Wiens soll auf diese Weise sichtbar und lesbar gemacht werden. "Die Verschriftlichung der Vermischtheit", nennt es der 52-jährige Designer.
Ein Sprachbesessener provoziert die Rechten
"Tschetschenisch!" Mehrmals und mit Nachdruck wiederholt Goran Novakovic das Wort. Es ist sein Lieblingsbeispiel, wenn er den Gedanken hinter seinem Konzept vermitteln möchte. "Du hast fünfzehn Buchstaben für genau sieben gesprochene Laute", ist der Mann immer wieder aufs Neue begeistert. Er bezeichnet sich selbst gerne als Sprachbesessenen. Der verschwenderische Umgang mit Buchstaben in der deutschen Sprache bleibt dem abgeschlossenen Germanisten bis heute ein Kuriosum, mit dem man viel Spaß haben kann.
Die Umschrift ist ihm aber durchaus ein ernst gemeintes Anliegen, sagt er schließlich in ruhigerem Tonfall. Gereift war der Gedanke, als er einen Briefkurs für die deutsche Sprache gegeben hatte. Um seinen Schülern in Wien nicht nur Grammatik und eine für sie unverständliche Kombination von Buchstaben zu schicken, sondern auch eine korrekte Aussprache beizubringen, hatte er den deutschen Wörtern "Übersetzungen" in der serbischen Schriftsprache beigefügt. Die Umschrift sollte eine vorübergehende Hilfe sein, eine Art "Krücke" für Menschen, die noch nie in ihrem Leben eine Fremdsprache gelernt haben. Die Provokation der Rechten ist nur ein angenehmer Nebeneffekt.
An dem Spannungsverhältnis zwischen Alteingesessenen und Zuwanderern arbeitet sich der Sprachlehrer auch schon seit Jahren ab. In den 1990ern sammelte er alle Arten von Vorurteilen, die er schließlich in einem satirischen Buch herausbrachte.
Engstirnige Wiener und verbohrte Migranten
2006 erschien sein bisher letztes Buch "Wien für (In- und) Ausländer - die hier leben wollen oder leben müssen". In den kurzen, glossenhaften Kapiteln beschreibt er für Zugewanderte oftmals skurrile Eigenarten und Gewohnheiten der Wiener. Hier lässt er seine ganze Lust an der Provokation und der Überspitzung kleiner und großer Unterschiede aufleben, wenn er etwa die Liebe der Wiener zu ihren Hunden oder aber auch ihren militanten Sinn für Mülltrennung auf die Schippe nimmt.
Mindestens so sehr wie über die engstirnigen Wiener kann er sich über die Verbohrtheit unter den Migranten aufregen. Die frustrierten jungen Männer, die Blau wählen, haben ihr Pendant unter den frustrierten jungen Männern, die am Brunnenmarkt oder in der Favoritenstraße herumhängen. Junge Burschen, die hier geboren und aufgewachsen sind und trotzdem versuchen, nach irgendwelchen Traditionen zu leben, aus Heimatländern, die sie selbst nur aus ihren Sommerurlauben kennen. Die würde Novakovic manchmal am liebsten schütteln und ihnen ins Gesicht schreien, dass sie einfach Wiener sind, ob sie das wollen oder nicht.
Auch er selbst ist mittlerweile mehr Wiener als Belgrader. Vor mittlerweile 22 Jahren verließ er Freunde und Familie und eine erfolgreiche Karriere in der Nationalbibliothek Serbiens, um in Österreich neu zu beginnen.
Er selbst war der einzige unter seinen Freunden, der in der Zeit von Diktator Slobodan Milosevic den radikalen Schritt ins Exil gewagt hat. In Österreich angekommen, musste er sich erst einmal gegen Vorwürfe an ein Regime verteidigen, von dem er schließlich selbst aus der Heimat vertrieben worden war. Das waren aber nur die Ausnahmen, erklärt er. Insgesamt sei er in Österreich außerordentlich gut aufgenommen worden und habe heute mehr österreichische Freunde, als serbische. Und mittlerweile denkt er nicht mehr ans Zurückgehen nach Belgrad. Erst recht seit er eine Aufgabe hier gefunden hat: Den Österreichern den Hatschek zurückzubringen.