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Die Rückkehr des Professors

Von Matthias Nagl

Politik

Heinz Fischer unterrichtet wieder an einer Universität - und begeistert sein Publikum mit Unspektakulärem.


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Innsbruck. Aufregung am Institut, ein überfüllter Hörsaal. Das ist zu Semesterbeginn an Österreichs Universitäten kein ungewohntes Bild. Dennoch war am Mittwochabend in der großen Aula der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck schnell zu erkennen, dass es diesmal ein außergewöhnlicher Semesterbeginn ist. Ein Jazzquintett im Hörsaal, Tiroler Spitzenpolitiker von SPÖ, ÖVP und Grünen im Auditorium sowie eine zusätzliche Liveübertragung in zwei Horsälen machten deutlich, dass ein besonderer Gast an der Universität war. Heinz Fischer, Bundespräsident außer Dienst, hielt seine Antrittsvorlesung als Gastprofessor am Institut für Politikwissenschaft zum Thema "Die Rolle des Bundespräsidenten in der Zweiten Republik".

Nicht nur aufgrund des Jazzquintetts hatte die Veranstaltung mehr von einem Event als von einer Vorlesung. Die Innsbrucker Universität wollte den seltenen Gast und Heimkehrer - Fischer habilitierte vor 40 Jahren in Innsbruck - gebührend empfangen. "Es ist uns eine Ehre, Freude und ein Privileg, Heinz Fischer als Gastprofessor und Heimkehrer begrüßen zu dürfen", sagte Rektor Tilmann Märk. Kurz zuvor hatte Fischer mit kurzer Verspätung und unter tosendem Applaus den Hörsaal betreten und in rund 450 mehrheitlich lächelnde Gesichter geblickt.

Fischers Auftritt hatte etwas von dem eines Popstars, ohne dass der Ex-Präsident das befördert hätte. Doch der Marathon an Händeschütteln, freundlichen Worten und Selfies hätte wohl mindestens so lange gedauert wie sein rund einstündiger Vortrag, wäre er nicht von Institutsmitarbeitern nach zwanzig Minuten "Heinz Fischer zum Anfassen" aus dem Saal geleitet worden.

Dabei hatte Fischers Darbietung nichts von der eines Popstars. In ruhigem Ton hielt er eine weitgehend unspektakuläre historische Abhandlung über die Rolle des Bundespräsidenten und seine verfassungsmäßigen Rechte. Aber wäre Fischer Chemiker und hätte über das Periodensystem der Elemente referiert, er hätte wohl ähnlich viele Zuhörer gehabt. So hatte der Abend mehr von einer Erzählstunde als von einer Vorlesung, was sich auch an der Anzahl der mitschreibenden Studierenden zeigte. Diese waren massiv in der Minderheit. "Ich habe einen längeren historischen Teil vorbereitet, weil ich zu jenen gehöre, die optimistisch genug sind, zu glauben, dass die Menschen aus der Geschichte lernen", war eine von Fischers spektakuläreren Ansagen. Auf die Gegenwart nahm er nur selten Bezug, etwa wenn er die seiner Meinung nach zehn wichtigsten Befugnisse des Präsidenten aufzählte. Die Ernennung und Entlassung der Regierung sind die wichtigsten, der Oberbefehl über das Bundesheer kam erst an siebenter Stelle.

Wie es seine Art ist, verzichtete Fischer auf aufsehenerregende Aussagen zur aktuellen Lage, nicht ohne seine Meinung deutlich zum Ausdruck zu bringen. Das einzige, wo er bei den Kompetenzen des Bundespräsidenten nachdenke, ob es Änderungsbedarf gebe, sei die Frage, "ob der Bundespräsident Staatsverträge unterschreiben muss, damit sie in Kraft treten". Die Zahl der Staatsverträge habe durch die EU-Mitgliedschaft stark zugenommen. Und die im Zuge der Abwesenheit eines Bundespräsidenten nach seiner Amtszeit aufgetauchte Frage, ob man das Amt überhaupt brauche, hält Fischer für "unsachgemäß und gefährlich". Der in der Verfassung vorgesehene Machtausgleich wäre dadurch gefährdet, warnte Fischer.

Seinen Vortrag beendete der nunmehrige Professor mit einem Scherz: "Ich entschuldige mich, dass ich meine Redezeit überschritten habe, wie ich das als Nationalratspräsident nie zugelassen hätte." Applaus. Abtritt Professor Fischer, Auftritt der Popstars.