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Die Rückkehr eines Falken

Von WZ-Korrespondent Sebastian Maslow

Politik

China fürchtet Comeback von Shinzo Abe, der einen harten Kurs fahren wird.


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Tokio. Shinzo Abe, der Parteivorsitzende der rechtskonservativen Liberaldemokraten (LPD), wird, so man den Umfragen glauben schenken darf, wohl die Nachfolge von Yoshihiko Noda im Amt des Premierministers antreten. Damit sieht Japans Politik einem Rechtsruck entgegen, der vor allem mit Blick auf die ohnehin schwer belasteten Beziehungen Tokios zum Nachbarn China mit Sorge gesehen wird.

Abe ist kein Unbekannter im Kantei, dem Sitz des japanischen Premierministers. Bereits 2006 führte er die Regierungsgeschäfte des Landes. Damals übernahm er das Amt von Junichiro Koizumi. Koizumi hatte die Öffentlichkeit zwar polarisiert, gleichzeitig war es ihm aber auch gelungen, fünf Jahre im Amt zu bleiben und wichtige Wirtschaftsreformen wie etwa die Privatisierung der japanischen Post durchzusetzen. Abe galt als Garant für die Fortsetzung des erfolgreichen Koizumi-Kurses - und scheiterte dramatisch.

Prominent war Abe 2002 durch seinen kompromisslosen Kurs gegenüber Nordkorea geworden. 2002 hatte Pjöngjang offiziell zugegeben in den 70er und 80er Jahren japanische Staatsbürger entführt zu haben und löste damit eine Welle des Protests in Japan aus. Beflügelt von der aufgebrachten Stimmung im Land empfahl sich Abe als potenzieller Premier. Korruptionsskandale, der Selbstmord eines Kabinettsmitgliedes und verschlampte Rentenbezüge in Millionenhöhe sollten Abe jedoch nach nur einem Jahr im Amt zum Rücktritt drängen. Freilich führte der gescheiterte Premier damals gesundheitliche Gründe für seinen Rückzug an.

Mit Abe begann die Inflation japanischer Premierminister. Seit 2007 erlebte Japan fünf Regierungschefs. Kabinettsmitglieder schaffen es gerade einmal auf durchschnittlich 8,6 Monate im Amt. Jetzt soll alles anders werden, verspricht der rehabilitierte Abe. Im September wurde er einigermaßen überraschend an die Spitze der Liberaldemokraten gewählt und versprach seinen Anhängern "Japan zurückzuerobern und ein starkes und wohlhabendes Land zu schaffen". Schon während seiner ersten Amtszeit hatte sich die heute 58-Jährige für eine rechtskonservative Agenda eingesetzt. 2006 revidierte Abe, in dessen Weltbild es kaum Platz für Japans Kriegsverbrechen gibt, das Bildungsgesetz seines Landes, die Lehrer wurden angehalten, ihren Schülern im Rahmen des Unterrichts "Landesliebe" und "Gemeinsinn" beizubringen. Auch Japans Verteidigungsbehörde wurde damals zum Verteidigungsministerium aufgewertet.

Ende der Friedensverfassung

Eines seiner wichtigsten Projekte konnte der konservativen Zirkels um Abe allerdings nicht verwirklichen: die Revision der japanischen Friedensverfassung. In dem 1947 unter amerikanischer Federführung ausgearbeiteten Grundgesetz verzichtet Japan auf den Unterhalt von Streitkräften und jede Art von Kampfeinsatz im Ausland.

Sollte Abe, dessen Großvater Nobusuke Kishi als Premier eine Ikone der Nationalkonservativen war, am Sonntag wieder an die Macht kommen, will er die Verfassung "an die Realität" anpassen. Die gut ausgerüsteten, aber vor allem für Defensivaufgaben ausgebildeten Selbstverteidigungsstreitkräfte sollen zu einer regulären Armee werden, die auch an Auslandseinsätzen teilnehmen darf.

Die geplante Aufwertung des Militärs wird aber nicht nur von Abes innenpolitischen Gegnern misstrauisch beobachtet. Seit Monaten belastet der Konflikt um die Senkaku-Inseln, die in China Diaoyutai-Inseln genannt werden, die Beziehungen zur Volksrepublik. Erst am Donnerstag schickten beide Länder Kampfflugzeuge in den Luftraum des umstrittenen Gebiets. Während Nodas DPJ-Regierung mit einer zurückhaltenden Diplomatie die Spannungen abbauen wollte, befürchten Beobachter eine Eskalation des Konflikts unter Abe. Der LDP-Politiker, der als außenpolitischer Falke gilt, kündigte an, sich entschlossen für Japans territoriale Interessen einzusetzen. Bereits im September hatte Abe angedeutet, dass er auch als Premier den umstrittenen Yasukuni-Schrein besuchen wird. Yasukuni gilt in Asien als Symbol des japanischen Militarismus, hier wird neben den in Japans Kriegen gefallenen Soldaten auch hochrangigen Kriegsverbrechern gedacht. Auch sonst hatte der LDP-Chef zuletzt immer wieder Öl ins Feuer gegossen. So bezweifelte Abe öffentlich Japans Verwicklungen in die Zwangsprostitution von Frauen während des Zweiten Weltkrieges und versprach die bisherige Position zu revidieren.