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Eines ist und war an der aktuell laufenden Schach-WM in London neu: der Name des Organisators und gleichzeitig auch Chefs des Internationalen Schachverbandes Fide, Arkadi Dworkowitsch. Er ist erst am 3. Oktober bei einem Kongress in Batumi in Georgien mit 103:74 Stimmen zum neuen Fide-Boss gewählt worden - und hat damit die rund 23-jährige Amtszeit seines doch schillernden wie umstrittenen Vorgängers Kirsan Iljumschinow beendet. Wenn man bedenkt, dass der Politiker und Millionär aus dem russischen Kalmückien die Fide seit 1995 geleitet und geprägt hatte - die WM-Titelkämpfer in London, Magnus Carlson und Fabiano Curuana, trugen damals fast noch Windeln -, so bedeutet die Wahl Dworkowitschs doch eine Zäsur, die dazu führen könnte, dass im Weltverband so etwas wie Normalität einkehrt.
Damit ist aber nicht etwa die plötzliche Abwesenheit der sonst üblichen Probleme (Korruption, Politik-Verflechtungen) gemeint. Die wird es wohl auch unter dem Ex-Vize-Minister und Berater von Wladimir Putin, Dworkowitsch, weiter geben. Immerhin ist es aber unwahrscheinlich, dass der Neue jene Grenzgänge, die sich einst Iljumschinow geleistet hat, toppen könnte: Bau einer eigenen "Schachstadt" um 50 Millionen Dollar (Elista in Kalmückien), WM-Austragungen bei Diktatoren (Saddam Hussein, Muhammar al-Gaddafi) und Unterstützung derselben (Bashar al-Assad) oder die seltsame Behauptung, von Aliens entführt worden zu sein.
So gesehen wird es im neuen Fide-Präsidium in den nächsten Jahren "normaler" weitergehen. Der Illusion, "dass der Schach mit der Wahl von Dworkowitsch frei von Einflüssen der Politik bleibe", wie Putin im Vormonat allen Ernstes meinte, sollte man sich aber nicht hingeben. Das wäre in London tatsächlich etwas Neues.