Leise Töne zur Marktberuhigung setzen sich durch. | Merkel für permanenten Krisenmechanismus. | Brüssel. Nach der Aufregung um womöglich drohende Pleiten der Euro-Wackelkandidaten Portugal und Spanien in den letzten Monaten kündigte sich am Donnerstag ein ziemlich beschaulicher EU-Gipfel an. | Über allen EU-Gipfeln ist Ruh? Die Eurokrise lässt sich nicht aussitzen
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Hatte es noch tags zuvor aus Spanien die Forderung nach einer Aufstockung des 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirms für die Gemeinschaftswährung und aus Luxemburg den Ruf nach Euro-Anleihen gegeben, gaben sich die Staats- und Regierungschefs zum Auftakt des Treffens betont versöhnlich. Im Tauziehen zwischen den beiden Schulen für die Beruhigung der Märkte schienen sich jene durchgesetzt zu haben, die Zurückhaltung mit öffentlichen Äußerungen als probates Mittel sehen.
Schweigen ist Gold
Die Zeit der Schönheitswettbewerbe und der Megafondiplomatie sei vorüber, hieß es aus dem Umfeld von Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Jedem sei inzwischen klar, wie wichtig es sei, keine weiteren Versuchsballons steigen zu lassen und stattdessen Handlungsfähigkeit zu beweisen.
Ungewöhnlich viele Gipfelteilnehmer betraten das Ratsgebäude, ohne den davor wartenden Journalisten Rede und Antwort zu stehen. Und jene, die sich äußerten, waren sehr vorsichtig. "Wir werden ein klares und entschlossenes Signal für Europa und den Euro senden", sagte etwa die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es werde ein permanenter Krisenmechanismus für die Gemeinschaftswährung und "eine sehr eingeschränkte aber notwendige Vertragsänderung" vereinbart.
Konkret sollen zwei Sätze in den Lissabonner Vertrag eingefügt werden, die als "Ermächtigungsklausel" für einen dauerhaften Rettungsmechanismus für den Euro ab Mitte 2013 ("European Stability Mechanism"/ESM) wirken sollen. Noch am späten Abend konnten sich die Staats- und Regierungschefs auf den Text einigen: "Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einführen, der im Notfall aktiviert werden kann, um die Stabilität der Euro-Zone als Ganzes zu sichern. Die Bewilligung finanzieller Hilfen, wenn diese angefragt werden, wird dabei unter strikte Bedingungen gestellt." Als Zugeständnis an Deutschland wurde noch der "Notfall" hineingeschrieben und dass die Hilfen auch angefragt werden müssen.
Vorgenommen werde diese "klinisch fokussierte" Vertragsänderung im Artikel 136, der sich mit Sonderbestimmungen für die Eurozone beschäftigt, erklärte ein Diplomat. Notwendig ist dieser Schritt, weil die deutsche Regierung ansonsten ernste Probleme mit dem Bundesverfassungsgerichtshof in Karlsruhe befürchtet. Denn der gegenwärtige Krisenmechanismus beruht auf dem Artikel 122, der eigentlich "finanziellen Beistand der Union" im Fall von Naturkatastrophen gestattet - aber eben auch, wenn andere "außergewöhnliche Ereignisse" eintreten. Er ist bis Mitte 2013 befristet und besteht aus der "European Financial Stability Facility" (EFSF), die nominell über einen Rahmen von 440 Milliarden Euro verfügt, den 60 Milliarden Euro schweren "European Financial Stability Mechanism" (EFSM) und eine 250-Milliarden-Euro-Kreditlinie des Internationalen Währungsfonds (IWF). Für den EFSF garantieren die Euroländer, für den EFSM haftet die gesamte EU. Eine Klage gegen diese Konstruktion wird längst in Karlsruhe behandelt. Die Details des ESM sollen die Finanzminister bis März ausarbeiten.
Politische Erklärung?
Neben den Gipfelbeschlüssen wurde auch über eine politische Erklärung des EU-Gipfels beraten. In einem Entwurf dieser Erklärung heißt es, dass die Staats- und Regierungschefs bereit seien, "alles Notwendige zu tun, um die Stabilität des Eurogebiets zu gewährleisten". Das könne jedoch noch nicht in Richtung eines unbegrenzt großen Rettungsschirms in der Zukunft interpretiert werden, hieß es in Diplomatenkreisen. "Bisher hat nur noch niemand eine Formulierung gefunden, die volle Entschlossenheit ohne Möglichkeit zur Fehlinterpretation vermittelt."