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"Die Russen sind nicht willkommen"

Von Ines Scholz

Politik

Wien · Der Generalsekretär im Außenministerium, Albert Rohan, hat nach seiner Rückkehr aus dem Kosovo scharfe Kritik an den geplanten Einsatzorten für die russischen Verbände der Kosovo- | Schutztruppe KFOR geübt. Vor allem die im Krieg von Serben fast gänzlich zerstörten UCK-Hochburgen Orahovac, Malisevo und das durch das Serbenmassaker zur traurigen Berühmtheit gelangte Srebrenica | seien "äußerst heikel und bedenklich", erklärte der Generalsekretär am Freitag in Wien.


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Rohan kehrte tags zuvor von seiner dreitägigen Kosovo-Reise zurück, die ihn in zahlreiche Städte wie Pristina, Pec, Prizren, Djakovica und Mitrovica geführt hatte. Zu seinem Programm zählte neben

einem Treffen mit dem Chef der Kosovo-Befreiungsarmee, Hashim Thaqi, sowie mit dem Kommandanten der deutschen KFOR-Einheiten, General Fritz von Korff auch ein Besuch beim österreichischen

Vorauskommando in Suva Reka.

Thaqi ermunterte der Generalsekretär nach eigenen Angaben, mit den russischen Truppen trotz der schwierigen Situation zu kooperieren. Das "Maximum an Zusage" sei gewesen, daß die UCK verspricht, die

Russen nicht zu provozieren". Auf deren mögliche Provokationen werde die UCK aber sehr wohl entsprechend reagieren. Rohan befürchtet, daß es bereits bei Routineaktionen wie Hausdurchsuchungen und

Waffenkontrollen Probleme geben könnte. "Warum daher gerade diese heiklen Orte ausgesucht wurden", wisse er nicht.

"Die Russen sind einfach nicht willkommen, weder bei der Bevölkerung noch bei der UCK", resümiert der Diplomat im Außenamt über die Stimmung bei den Kosovo-Albanern. Um drohende Zwischenfälle zu

vermeiden, habe er dem deutschen General von Korff beim gemeinsamen Treffen vorgeschlagen, die russischen Einheiten bei ihren Patrouillen von den KFOR-Truppen des zugeteilten Sektors begleiten zu

lassen. Dieser Vorschlag stößt aber vor allem in Frankreich auf Skepsis, das um die Sicherheit seiner Soldaten fürchtet, erklärte Rohan.

Sonderproblem Mitrovica

Rohan verwies auf das "Sonderproblem" der de facto geteilten Stadt Kosova Mitrovica im französichen Sektor im Norden der Provinz. Dort hätten serbische Paramilitärs bereits Checkpoints errichtet,

um ein ethnisches Zusammenwachsen der Serben und Albaner mit allen Mitteln zu verhindern. "Je länger die Teilung anhält, desto schwieriger wird sie rückgängig zu machen sein", warnte der

Generalsekretär. Die geplante Stationierung russischer KFOR-Truppen werde die Situation dort eher noch verschlimmern.

Machtfaktor UCK

Aufgrund der "fast chaotischen Verhältnisse" im Kosovo · drei Viertel der Flüchtlinge seien bereits zurückgekehrt, die internationale Hilfsorganisationen und Vertreter der UNO-Zivilverwaltung

seien aber zum Teil noch nicht einmal vor Ort · ist die UCK nach Aussagen Rohans geradezu zu einer Institution avanciert. Auch politisch stelle sie mittlerweile die einzige relevante Kraft dar · mit

enormem Rückhalt in der Bevölkerung. Die Demokratische Liga (LDK) von Ibrahim Rugova sei "schlicht zerbröselt".

Thaqi plant noch in dieser Woche die Gründung einer eigenen Partei, wie Rohan unter Bezugnahme auf ein gemeinsames Gespräch mit dem UCK-Führer und selbsternannten Premier im Kosovo mitteilte.

Er habe den eindringlichen Appell an Thaqi gerichtet, die UCK möge auf Racheakte gegen die Serben verzichten, um nicht Gefahr zu laufen, ihren "moralischen Status zu verlieren". Thaqi habe

ihm versichert, daß die UCK keine Vertreibungen der Serben anstrebe. Zugleich zeigte er aber Verständnis für zahlreichen Racheaktionen der Albaner.

Politische Ausrichtung

steht in den Sternen

Rohan warnte vor verfrühten Wahlen im Kosovo. Diese sollten frühestens in einem Jahr abgehalten werden. "Je später, desto besser". Im Moment ginge es den Menschen ums nackte Überleben und um den

Wiederaufbau ihrer Lebensgrundlagen. "Nicht einmal der künftige Status des Kosovo ist derzeit ein Thema", so Rohan. Selbst die Frage nach der ideologischen Ausrichtung seiner künftigen Partei

verblüffte Thaqi: "Darüber haben wir einfach noch nicht nachgedacht".

Hilfe für Suva Reka

Als Schwerpunkt der österreichischen Aufbauhilfe schlug der Generalsekretär im Außenamt, Rohan, die Ortschaften um Suva Reka vor, wo auch das österreichische Bundesheer-Kontingent stationiert sein

wird. Das 30 Kilometer nördlich von Prizren gelegene Gebiet umfaßt insgesamt 30.000 Einwohner, die Gemeinden um Suva Reka sind fast gänzlich zerstört. Lediglich eine Textil- und eine Chemiefabrik

seien intakt.