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Die Sache der Frauen im Abseits

Von Brigitte Pechar

Politik

50 Jahre nach dem Erscheinen von Simone de Beauvoirs Buch "Das andere Geschlecht" ist zwar vieles eine Selbstverständlichkeit für die Frauen geworden, dennoch besteht der Eindruck, dass Stillstand | in die Sache der Frauen gekommen ist. Ratlosigkeit scheint unter Österreichs Frauenpolitikerinnen zu herrschen. Die frühere Frauenministerin Johanna Dohnal sieht als einzig möglichen Ausweg eine | Frauenpartei: "Eine andere Sprache werden sie nicht verstehen." Ganz anders dagegen tönt es aus der Männerwelt. Mit Kinderschecks und Ähnlichem will man die Frauen wieder weglocken aus dem | Berufsleben und damit aus ihrer Unabhängigkeit.


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Aus Anlass eines Symposions über Simone de Beauvoir war Alice Schwarzer, Gründerin von "Emma" und Feministin, vor kurzem in Wien. Dass die Männer zu "neuen alten Formen der Männerbündelei"

zurückkehren, führt Schwarzer auf den aufrechten Gang der jungen Frauen zurück. In den vergangenen 20 bis 30 Jahren sei eine wahre Kulturrevolution in den Köpfen passiert. Was Beauvoir vor 50 Jahren

gefordert hat, ist heute fast Realität: Die jungen Frauen von heute wollen einen Beruf und sie wünschen sich eine echte Partnerschaft, nicht nur auf dem Papier.

Als Antwort auf diesen aufrechten Gang der Frauen besinnen sich die Männer auf ihre tradierten Formen der Herrschaftserhaltung: "Die alten Herrenmenschen und die neuen Burschenschafter hätten es

gerne anders", sagt Schwarzer. Ein richtiger Mann braucht eine richtige Frau. Und eine richtige Frau ist eine Mutter, am besten eine lebenslange Mutter. Daher auch die Forderung nach einem

Kinderscheck: "So hat man Haus- und Kinderarbeit los und gleich noch eine Konkurrentin am Arbeitsmarkt weniger. Denn nach sechs Jahren im Abseits kommt man nicht wieder rein".

Die Frage ist, warum geht kein Aufschrei durch das Land, wenn solche Ansinnen an die Frauen gestellt werden. Was ist los mit der Frauenbewegung? Hat Isolation und Einzelkämpferinnentum bereits jede

Form des kollektiven Auftretens unmöglich gemacht? Österreichs Paradefeministin Johanna Dohnal macht dafür die SPÖ verantwortlich: "Die derzeitige Frauenpolitik zeichnet sich dadurch aus, dass es sie

nicht gibt." Die SPÖ sei die einzige Partei gewesen, die Frauenanliegen vertreten und · wenngleich häufig widerwillig · umgesetzt habe. Derzeit aber herrsche Stillstand, "es gibt keinen

Kristallisationspunkt", keine zentrale Anlaufstelle für Frauenanliegen mehr. Es sei daher höchst notwendig, dass die Frauen die Politik · jenseits der bestehenden Parteien · selbst in die Hand

nehmen. Der Druck auf die Politik müsse von Außen kommen. In diesem Sinn plädiert Dohnal für eine Frauenpartei · "ohne zu wissen, wie die künftige Regierung ausschaut" ·, als vorübergehendes Projekt

wohlgemerkt. Als Spitzenfrauen könnte sich Dohnal die Vertreterinnen des Frauenvolksbegehrens vorstellen. "Wenn sich Frauen nicht auf einen Minimalkonsens · Gewalt gegen Frauen, Existenzsicherung ·

konzentrieren, wird alles bisher Erreichte den Bach hinunter gehen." Was die Frauenpolitikerin besonders hart trifft, ist die Tatsache, dass die Kluft zwischen den Frauen, die es geschafft haben, und

den sozial Schwachen wächst. "Man darf diese Kluft nicht zulassen. Wenn das politische Klima sich wandelt, sind alle Frauen betroffen", ist Dohnal überzeugt. Dagegen hilft nur Solidarität und

gemeinsames Auftreten: "Eine andere Sprache werden sie (die Politiker, Anm.) nicht verstehen."

Den Männerbünden müssen Frauenseilschaften entgegengesetzt werden, auch auf politischer Ebene. Die deutsche Frauenrechtlerin Schwarzer regt daher auch für Österreich an, ein Bündnis von

Spitzenpolitikerinnen aller Fraktionen zu gründen. "Die Saat der Frauenbewegung der 70er und 80er Jahre geht auf, auch wenn es ein langer Weg ist: 5000 Jahre Patriarchat schafft man nicht in 50

Jahren ab". Wichtig ist, dass die Frauen nicht immer bei Null beginnen. "Wir dürfen nicht wieder in die Geschichtslosigkeit zurückfallen, uns nicht wieder spalten lassen", sagt die erfahrene

Frauenkämpferin.