Eine 18-Jährige verliert ihren Job in der Shopping City Süd - der Arbeitgeber begründet das mit mangelnder Leistung, die Arbeitnehmerin behauptet, sie wurde gekündigt, weil sie ein Kopftuch trägt.
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Wien. Die 18-jährige Lehramtsstudentin Esraa Ahmed hat seit März beim Franchise-Unternehmen Subway in der Shopping City Süd gearbeitet. Nach einer unternehmensüblichen Evaluierung von sogenannten "Field Consultants" aus Deutschland musste sie Ende Mai gehen. Der Grund war, so sagt Esraa Ahmed, weil sie ein Kopftuch trage. Dabei sei anfangs alles zur vollsten Zufriedenheit verlaufen.
Seit Oktober des letzten Jahres war die junge Frau aus Liesing auf der Suche nach Arbeit gewesen und hatte gute fünf Monate später die Stelle bei Subway bekommen. "Ich habe auf sehr viele Jobanzeigen reagiert und mich beworben, wurde aber nie aufgenommen. Als ich bei Subway anfangen durfte, habe ich mich sehr gefreut, weil mich jemand so akzeptiert, wie ich bin", erzählt die Philosophie/Psychologie- und Französisch-Studentin in einem Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Mein Chef war ein lieber Mensch, dem es egal war, ob ich ein Kopftuch trage. Hauptsache ich erledige meine Arbeit so gut wie alle anderen Mitarbeiter."
Ahmeds Dienstverhältnis war zu Beginn eines auf Teilzeitbasis. Die gebürtige Wienerin hatte ihrerseits auf Anraten der Eltern vor zu kündigen, weil die Arbeitszeit mit dem Studium nur schwer vereinbar war. Geschäftsführer Daniel Hasslwanter schaffte es aber, Esraa Ahmed zu überreden, weiterhin geringfügig angestellt zu bleiben. "Er sagte, ich wäre eine sehr gute Mitarbeiterin, die er nicht verlieren wolle. Geringfügig wären es nur elf Stunden Arbeit pro Woche. Nach Absprache mit meinen Eltern habe ich schließlich zugestimmt."
Ende Mai erfuhr dann Ahmed von ihrer Entlassung und schildert den Verlauf der Ereignisse, die schlussendlich zur Kündigung führten, folgendermaßen: "Zwei Männer waren da und unterhielten sich eine Zeit lang mit meinem Chef. Danach haben sie etwas bei mir bestellt. Ich habe mir meine Handschuhe angezogen, sie herzlich begrüßt und ihnen den gewünschten Salat gemacht. Dafür gab es ein ‚Dankeschön‘; mehr war nicht. Ich hatte nicht den Eindruck, ihnen zu missfallen." Einige Zeit habe sie dann ihr Chef angerufen gemeint, er hätte etwas Dringendes mit ihr zu besprechen. Ahmed hatte an diesem Tag eigentlich Dienst, doch es hieß, sie bräuchte nicht zu erscheinen, weil nicht viel los war. "Am Freitag darauf ging ich ganz normal zur Arbeit, doch als ich dort ankam, stand mein Name nicht mehr auf dem Dienstplan. Ich erfuhr, dass die Zentrale aus Deutschland meinte, man dürfte niemanden mit einem Kopftuch einstellen."
Ihr Chef sei auf jeden Fall nicht schuld gewesen - sie habe gesehen, dass es ihm sichtlich unangenehm war, meint Esraa Ahmed. Sie durfte auf jeden Fall nicht mehr dort arbeiten. "Ich war so schockiert, dass ich nichts mehr sagen konnte. Ich stand still da und habe zugehört, aber eigentlich wollte ich nur weg."
Ahmed fragt sich frustriert, ob es nicht egal ist, dass sie ein Kopftuch trägt oder ob jemand blonde, schwarze oder grüne Haare hat - solange die Arbeit gut erledigt wird. "Ich fühle mich einfach schlecht. Schrecklich, vor allem, weil wir in einem offenen Land leben, wo es egal sein sollte, welche Nationalität ich habe oder ob ich ein Kopftuch trage", sagt die junge Frau. Laut Ahmed wollte sich ihr Chef Daniel Hasslwanter dafür einsetzen, dass sie den Job zurückbekommt. "Er wollte mich nicht feuern, aber es ist ein Befehl von der Zentrale. Da konnte er nichts machen", wiederholt sie.
Auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" zeigte sich das Unternehmen besorgt über diesen Vorwurf und reagierte mit folgender Stellungnahme: "Wir sind uns der geschilderten Situation betreffend einer ehemaligen Mitarbeiterin im Subway Restaurant in Vösendorf bewusst. Die Gründe für die Kündigung der Mitarbeiterin beziehen sich rein auf ihre arbeitsrelevante Leistung. Subway Franchisepartner in Österreich schaffen circa 300 lokale Arbeitsplätze und Subway Franchisepartner auf der ganzen Welt circa 400.000 Arbeitsplätze für Menschen mit verschiedener Herkunft, Hautfarbe oder Religion."
Markus Bischof, Subway-Sprecher für Österreich, bekräftigt deutlich, dass diese Entlassung keinen religiösen Hintergrund habe: "Dies würde der Subway-Philosophie widersprechen. Wir haben multikulturelle Mitarbeiter und auch Restaurants im Nahen Osten, zum Beispiel in Dubai oder Nepal."
Bischof gibt zu, dass es Kleidungsvorschriften beim Subway gebe, Baseballcap, darunter ein Haarnetz; und sagt, dass wohl mit Frau Ahmed in Vösendorf ein Mittelweg (Kopftuch und Haarnetz) gefunden wurde, der zu funktionieren schien. "Der Kündigungsgrund ist, dass Frau Ahmed eine interne und übliche Onlineausbildung nach Aufforderung nur zu einem Teil, etwa zehn Prozent, abgeschlossen hat und deshalb ihre Probezeit nicht verlängert wurde", so Bischof.
Laut der online abrufbaren "Subway Uniform Policy" muss von den Restaurant-Mitarbeitern zu jeder Zeit ein sauberer Hut oder eine Schirmmütze getragen werden. Auch dem "Subway Employee Handbook" von 2014 (zugelassen auf "Doctor’s Associates Inc. in the USA and other countries") ist online zu entnehmen, dass Mitarbeiter die interne Fortbildung (im englischsprachigen Handbuch als "University of Subway" tituliert) in der Probezeit zu absolvieren haben. Die drei Kurse dienen dazu, sich mit den anfallenden Aufgaben vertraut zu machen, und werden nach erfolgreichem Abschluss auch bezahlt. Konsequenzen für einen Nichtabschluss sind, dass das Ende der Probezeit erst mit dem Abschluss dieser Subway-Akademie möglich ist und eine Gehaltserhöhung auch erst danach erfolgen kann.
Esraa Ahmed gibt zu, die Kurse nicht vollständig abgeschlossen zu haben, widerspricht aber der Darstellung des Kündigungsgrundes und bleibt bei ihrer Aussage: "Mir hat man gesagt, es sei beim Subway nicht erlaubt, mit einem Kopftuch zu arbeiten."
Ihre Kopfbedeckung bedeutet der Wienerin aber sehr viel. "Ich habe es akzeptiert, dass ich wegen meiner Religion ein Kopftuch tragen sollte und mich dafür entschieden. Ich dachte, es sei egal, da ich darunter ja immer noch dieselbe Person bin", sagt sie. Für einen Job würde sie es nicht abnehmen. "Das ist es nicht wert. Die Menschen sollten mich so akzeptieren, wie ich bin."
Diese Worte entspringen zum Teil der aktuellen Frustration, doch Esraa Ahmed hatte bereits schon früher negative Erfahrungen mit dem Thema. Als sie mit 15 Jahren zum ersten Mal bedeckt außer Haus ging und ihre Nachbarin traf, die ihr zu verstehen gab, sie müsse sich doch nicht unterdrücken lassen. Ahmeds Erklärung, dass das Tragen ihrer Kopfbedeckung freiwillig geschieht, führte dazu, dass sich das Verhältnis der Nachbarin zur Familie Ahmed verschlechterte.
Ein zweiter Vorfall erzählt die Geschichte eines fremden, alten Mannes, der die Studentin mitten auf der Straße am Kopftuch packte und mit den Worten "schöne Haube" daran zog. "Ich war damals zu jung, um mich zu wehren, aber so etwas merkt man sich ein Leben lang."
Der dritte Fall ereignete sich erst just im Juni des heurigen Jahres und nach der Entlassung. Esraa Ahmed war zum ersten Mal mit einem Burkini (Ganzkörper-Badeanzug mit angenähter Schwimmkappe, die das Kopftuch ersetzt und von der libanesisch-stämmigen Australierin und Geschäftsfrau Aheda Zanetti entwickelt wurde) im Hietzinger Bad. "Ich habe vorher extra dort angerufen, um nachzufragen, ob ich mit dem Burkini schwimmen gehen dürfte. Im Bad war es ein komisches Gefühl, das mich umgab, und ich war nervös, weil ich fürchtete, dass es viele nicht akzeptieren würden, mich so zu sehen. Leute drehten sich zu mir um, als ich nur meine Füße ins Wasser steckte, und meinten, das sei unhygienisch. Ich habe versucht zu erklären, dass es sich hierbei um einen Badeanzug für den ganzen Körper handelt, also nichts anderes als sie selbst tragen würden. Dann rief eine der Frauen den Bademeister. Der war zum Glück nett und erklärte, dass es vom Gesetz her erlaubt sei, weil es sich doch tatsächlich um einen Ganzkörperbadeanzug handelt. Die Leute waren schockiert."
Der weitere Verlauf des Schwimmbadbesuches bestand für Esraa aus Schwimmen, während immer wieder Leute beim Bademeister auftauchten und mit dem Finger auf sie zeigten. Eine Frau machte gar mit dem Handy ein Foto von ihr, musste es aber wieder wegen des Fotografie-Verbots im Bad auf Drängen des Bademeisters löschen.
Esraa Ahmed ist nicht erst seit ihrer Entlassung mehr denn je davon überzeugt, dass einige Menschen ein falsches Bild von Muslimen hätten. "Einerseits glauben sie, dass wir unterdrückt werden, wenn wir ein Kopftuch tragen. Manche denken auch vielleicht, dass wir Terroristen sind und unsere Kopfbedeckung ein Zeichen dafür sei."
Nach Informationen von Zara (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) in Wien ist es schwer, eine Statistik von "Kopftuch-Diskriminierungen" im Arbeitsbereich zu bekommen. "Ganz grundsätzlich muss man zu unseren Zahlen sagen, dass wir nur die Fälle dokumentieren, die uns von Betroffenen oder Zeugen gemeldet werden, man kann also nicht von einer Statistik sprechen. Dennoch können wir, solange es keine extremen Schwankungen in der Gesamtzahl der Fälle gibt, natürlich Tendenzen ablesen", sagt Dina Malandi von der "Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen von Rassismus".
2012 wurden Zara sieben Fälle (davon fünf in Wien und je ein Fall in Vorarlberg und Niederösterreich) gemeldet. 2013 waren es ebenfalls sieben Fälle (vier in Wien, in Salzburg und Oberösterreich je einer; bei einem Fall war das Bundesland unbekannt). Im Vorjahr meldeten sich acht Menschen wegen diskriminierenden Vorfällen am Arbeitsplatz (sechs in Wien, Salzburg und Vorarlberg mit je einem Fall).
Laut Zara verbietet das Gleichbehandlungsgesetz grundsätzlich, Menschen aufgrund des Tragens religiöser Symbole oder Kleidungsstücke in der Arbeitswelt zu diskriminieren. Es ist nur dann gerechtfertigt, zu verlangen, das Kopftuch abzunehmen, wenn es eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung für die konkrete Tätigkeit darstellt - zum Beispiel in einem Operationssaal.
"Sofern eine Bekleidungsvorschrift des Unternehmens vorsieht, dass einheitliche Dienstkleidung getragen werden muss, so muss es möglich sein, ein dazu passendes, farblich abgestimmtes Kopftuch zu tragen. Die farbliche Abstimmung kann also in so einem Fall verlangt werden, nicht aber, dass gar kein Kopftuch getragen werden darf", so Malandi.
Wenn, wie in diesem Fall, die Aussage von Subway gegen Esraa Ahmeds Wort steht, wirkt im Fall einer Klage beim Gleichbehandlungsgesetz eine Beweislasterleichterung: "Das bedeutet, dass Diskriminierungsopfer glaubhaft machen müssen, dass sie diskriminiert wurden, während die diskriminierende Partei beweisen muss, dass es andere Gründe für die konkrete (schlechtere) Behandlung gegeben hat. In der Praxis ist "glaubhaft machen" und "beweisen" in den Verfahren nicht immer so einfach voneinander abzugrenzen", sagt Malandi.
Aktuell macht Esraa Ahmed den Führerschein und ist auf Jobsuche. Sie behält sich vor, rechtliche Schritte gegen Subway zu setzen - aber vorerst ist ihr das Lehramtsstudium wichtiger. Rassisten, die alles Muslimische ablehnen, aber auch Religionskritikern, die meinen, Religion gehöre in die eigenen vier Wände, entgegnet Ahmed jedoch immer wieder gerne mit dem Hinweis auf das Recht, frei wählen zu dürfen: "Nur weil ich ein Kopftuch trage, bedeutet dies nicht, dass ich jemanden etwas Schlechtes antue. Wenn ich mit dem Kopftuch meinen Job mache, ist das meine Sache. Jeder kann mit seinem Körper oder mit seinem Aussehen machen, was er will."