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Die Sache mit dem Wahlrecht

Von Christian Rösner

Politik

Bei den Verhandlungen hat Vassilakou ein "faires Wahlrecht im Gepäck". Und Michael Häupl sitzt am Check-in-Schalter.


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Wien. Die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen sind angelaufen. Bis Mitte November will SPÖ-Chef und Bürgermeister Michael Häupl die neue Regierung aufgestellt haben. Sofern man sich mit den Grünen einigen kann. Hier zeigt sich Häupl durchaus optimistisch - er sieht "nicht wirklich unüberwindliche Hindernisse", bestenfalls "Meinungsverschiedenheiten", wie er am Dienstag nach der Parteivorstandssitzung erklärte. Und die dürften vor allem in der Frage der Wahlrechtsreform zu finden sein.

An der haben sich nämlich die Grünen die vergangenen fünf Jahre die Zähne ausgebissen - dabei hätte sie bereits 2012 abgeschlossen sein sollen: In der konstituierenden Sitzung des Gemeinderats nach der vorigen Wahl im Jahr 2010 beschloss Rot-Grün einen von ihnen eingebrachten Antrag, in dem die "Schaffung eines modernen Verhältniswahlrechts" bis längstens Ende 2012 angekündigt wurde. Die Tatsache, dass unter "modern" jeder etwas anderes verstehen wollte, löste in der Folge eine jahrelang schwelende Diskussion aus.

Und die hätte heuer schließlich fast zu einem Koalitionsbruch geführt, nachdem die SPÖ den grünen Gemeinderat Senol Akklic abgeworben hatte, um in Sachen Wahlrechtsreform nicht überstimmt zu werden. Das mehrheitsfördernde Wahlrecht wollte sich die SPÖ - wissend, dass es ein Kopf an Kopf Rennen mit der FPÖ werden könnte - um keinen Preis noch kurz vor der Wahl wegnehmen lassen.

Maria Vassilakou hat jedenfalls bereits vor der Wahl im Interview mit der "Wiener Zeitung" bekräftigt, dass sie im Falle von Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ eine Wahlrechtsreform einfordern werde. "Sie können sicher sein, dass zu gegebener Zeit bei den nächsten Verhandlungen in meinem Gepäck ein faires Wiener Wahlrecht drinnen sein wird", erklärte sie damals. Durchaus mit dem Bewusstsein, dass es für die SPÖ schwer werden wird, einen Partner zu finden, der bei der Verteidigung alter Privilegien noch einmal mitspielt. Allerdings ist Häupl stärker aus der Wahl hervorgegangen als erwartet - und somit auch seine Verhandlungsposition.

Und er hat bereits angekündigt, dass er diesmal durchaus einige Dinge anders machen wolle: "Wir werden bestimmte Dinge, von denen man ausgehen kann, dass sie konfliktträchtig sind, viel genauer und sorgfältiger festlegen", erklärte Häupl. Im neuen Koalitionsabkommen werde man sicherlich keine Einsetzung einer Arbeitsgruppe zum Wahlrecht finden, sondern diese Frage vielmehr "sorgfältig abhandeln". Nur eine Arbeitsgruppe zu dem Thema einzuberufen, sei nicht mehr ausreichend.

Das erhoffte Bildungsressort wird es nicht geben

Wie das Wahlrecht "abgehandelt" werden wird, hängt also noch immer von den Verhandlungspositionen ab. Denn es geht um viel: Die Grünen hätten gerne weiterhin das Verkehrsressort. Das könnte auch möglich sein, aber vermutlich ohne die Planungsagenden, die ins Wohnressort fallen könnten. Erschwerend hinzu kommt noch, dass die SPÖ einen Stadtrat aufgeben muss. Das von den Grünen ursprünglich erhoffte Bildungsressort wird es daher wohl kaum geben.

Vassilakou wäre außerdem gerne weiterhin Vizebürgermeisterin. Allerdings trifft das auch auf Renate Brauner zu - die zumindest einmal als Fixstarterin für die Weiterführung des Finanzressorts gehandelt wird. Als Vizebürgermeister fix ist bisher nur FPÖ-Klubchef Johann Gudenus - weil die FPÖ mit ihren 34 Mandaten aufgrund der Stadtverfassung ein Vizebürgermeister zusteht. Allerdings ohne eigenes Ressort.

Die ÖVP sieht auf jeden Fall die Wahlrechtsreform mit einer Fortführung von Rot-Grün in Gefahr. Die Grünen würden nämlich alles tun, um wieder in der Regierung zu sein - "auch wenn dafür alle eigenen Überzeugungen über Bord geworfen werden", befürchtet der neue Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel.

Falls das eintreten sollte und Vassilakou tatsächlich einen Umfaller riskiert (was angesichts ihrer aktuell revidierten Rücktrittsankündigung politisch gesehen fatal wäre), könnte ihr einmal mehr der Notariatsakt aus dem Mai 2010 auf den Kopf fallen: Damals hatten sich die Chefs der damaligen drei Wiener Oppositionsparteien ÖVP, Grüne und FPÖ in einem offiziellen Notariatsakt verpflichtet, nach der Wien-Wahl im Oktober 2010 gemeinsam eine Reform des derzeit mehrheitsfördernden Wahlrechts zu initiieren, um zu verhindern, dass eine Partei mit weniger als 50 Prozent der Stimmen eine absolute Mandatsmehrheit erlangt. Hochoffiziell unterschrieben damals VP-Chefin Christine Marek, die grüne Klubobfrau Maria Vassilakou und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eine gleichlautende Verpflichtungserklärung. Und eigentlich hat diese bis heute ihre Gültigkeit nicht verloren.

Personalentscheidungenstehen an letzter Stelle

So liegt es nun an den Verhandlungsteams, Übereinkünfte zu treffen, mit denen sich beide noch in den Spiegel schauen können. "Wir gehen davon aus, dass die Verhandlungen fair, ehrlich und auf Augenhöhe verlaufen werden", erklärte Vassilakou dazu. In den Verhandlungsteams sitzen nun für die Grünen Maria Vassialkou, Klubobmann David Ellensohn, Landesgeschäftsführerin Angela Stoytchev, Landessprecher Georg Prack, die stellvertretende Klubobfrau Jennifer Kickert und Budgetsprecher Martin Margulies. Für die SPÖ verhandeln Michael Häupl, Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler, Klubobmann Rudolf Schicker, Finanzstadträtin Renate Brauner und je nach Thema auch der jeweilige Stadtrat.

Und ausgerechnet das, worüber derzeit am meisten spekuliert wird, soll erst am Schluss bekannt gegeben werden: Personalentscheidungen stehen an letzter Stelle der Verhandlungen, meinte Häupl.