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Die Sache mit der Nummerntafel

Von Mathias Ziegler

Politik

Mit 1. Jänner wird der Bezirk Wien-Umgebung aufgelöst. Was die Verwaltung freut, ärgert die Klosterneuburger.


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Wien. Noch 15 Tage lang ist Andreas Strobl Bezirkshauptmann. Dann wird der Bezirk Wien-Umgebung aufgelöst, seine 21 Gemeinden werden auf die Nachbarbezirke aufgeteilt (siehe Grafik) - und während die rund 140 Verwaltungsmitarbeiter schon im heurigen Juni erfahren haben, wo sie ab 1. Jänner 2017 tätig sein werden, kennt ihr Chef seine eigene Zukunft noch nicht. "Ich bin Landesbediensteter und werde Landesbediensteter bleiben. Genaueres kann ich erst nach dem 1. Jänner sagen", erklärt Noch-Bezirkshauptmann Strobl auf Anfrage der "Wiener Zeitung". Konkrete Gespräche dazu sind im Gange.

Kein Stellenabbau, aber 2 Millionen Euro Einsparung

Insgesamt bleibt der Mitarbeiterstand gleich, "es konnten alle untergebracht werden", berichtet Strobl, der auch betont, dass dabei besonderes Augenmerk auf zwei wichtige Aspekte gelegt wurde: "Einerseits geht es darum, Kompetenzen zu erhalten, sprich: dass die Mitarbeiter in ihrem bisherigen Kompetenzbereich weiterarbeiten können. Andererseits wurde aufgrund der besonderen geografischen Lage des Bezirks Wien-Umgebung auch der jeweilige Wohnsitz berücksichtigt, damit nicht zum Beispiel der Tullner künftig nach Schwechat pendeln muss oder der Schwechater nach Purkersdorf. Da ist es uns gelungen, die Leute mit einer sehr hohen Zufriedenheitsrate so zu versetzen, dass an der neuen Dienststelle möglichst friktionsfrei weitergearbeitet werden kann." Die Bildung von Arbeitsgruppen zu diesem Thema nach der Bekanntgabe der Bezirksauflösung im September 2015 hat sich also ausgezahlt.

Ein weiterer Punkt bei der Auflösung des Bezirks Wien-Umgebung sind die bisherigen Außenstellen in den Gemeinden Gerasdorf, Schwechat, Purkersdorf und Wien (Herrengasse), die erhalten bleiben. In Klosterneuburg, der bisherigen Zentrale, wird eine Außenstelle der Bezirkshauptmannschaft (BH) Tulln eingerichtet. Eine personelle Verstärkung der Außenstellen sei nicht notwendig, meint Strobl. "Sie bleiben im bisherigen Umfang aufrecht, wobei natürlich die Detailplanungen den vier Bezirken überlassen sind."

Insgesamt soll die Reduktion von 21 auf 20 Bezirke in Niederösterreich laut Landeshauptmann Erwin Pröll Einsparungen von rund 2 Millionen Euro pro Jahr bringen. Und für die betroffenen Gemeinden wäre es eine gute Gelegenheit, alte Strukturen zu überdenken - oder auch nicht. Schwechat und Gerasdorf zum Beispiel sind trotz räumlicher Trennung im selben Abfallverband, liegen aber künftig in verschiedenen Bezirken. Dennoch kooperieren sie auch künftig, sagt Gerasdorfs Bürgermeister Alexander Vojta: "Wir gliedern uns dort in die Strukturen des neuen Bezirks ein, wo es sinnvoll ist. Aber der Abfallverband mit Schwechat hat sich bewährt, und alles Logistische passiert ohnehin bei uns." Gerasdorf sei sogar ein wichtiger Stützpunkt für Schwechat.

Gerasdorfer durften sichneuen Bezirk aussuchen

Feuerwehr und Polizei hingegen haben ihre Zentrale künftig in Korneuburg, während das Rote Kreuz wie schon jetzt mit Mistelbach zusammenhängt, "weil die Verbindung dorthin besser ist". Und schon seit Juli ist Gerasdorf beim Ruf-Sammeltaxi "ISTmobil" im Bezirk Korneuburg mit dabei. Für die Bürger ändert sich durch die Bezirksauflösung wenig bis nichts - im Gegenteil werden sogar manche Amtswege kürzer, wenn etwa das Bezirksgericht nicht mehr auf der anderen Seite von Wien ist. In Gerasdorf wird sogar die BH-Außenstelle 2017 im Zuge eines Umbaus ins Rathaus übersiedelt. Bürgermeister Vojta ist jedenfalls froh über den Bezirkswechsel: "Wir waren ja in Wien-Umgebung eine Art Enklave als einzelne Gemeinde zwischen lauter anderen Bezirken."

Abgesehen davon ist es eine späte Rückkehr - als vor 140 Jahren die BHs eingerichtet wurden, gehörte Gerasdorf schon einmal zu Korneuburg -, für die sich die Bürger selbst entschieden haben: Gerasdorf hat als einzige betroffene Gemeinde eine Bürgerbefragung durchgeführt. Von 2573 teilnehmenden Bürgern (Wahlbeteiligung 23 Prozent), sprachen sich 83 Prozent für Korneuburg aus, 16 Prozent für Mistelbach und nur 1 Prozent für den ursprünglich vorgesehenen Bezirk Gänserndorf - böse Zungen behaupten, dass dabei auch das Gänserndorfer Kfz-Kennzeichen "GF" (gerne hämisch als "Ganslf*. . ." ausgedeutet) eine Rolle gespielt haben dürfte. Ähnliches wird von Leopoldsdorf, Lanzendorf und Maria-Lanzendorf südlich von Wien behauptet, wo sich die Bevölkerung erfolgreich gegen den Bezirk Mödling ("MD" wird gern als "Mamas Dümmster" oder schlimmer ausgedeutet) wehrte. Die drei Gemeinden gehören nun künftig zu Bruck an der Leitha ("BL").

Die kleinere Stadt drückt der größeren ihr Kennzeichen auf

Apropos Kfz-Kennzeichen: Das sorgt in Klosterneuburg tatsächlich für Unmut. Dort nämlich will eigentlich kaum jemand künftig sein Auto mit einem "TU"-Taferl ausgestattet sehen. Warum das so ist, bringt ein gebürtiger Klosterneuburger folgendermaßen auf den Punkt: "Wenn bei uns einer deppert fährt, schaut man aufs Kennzeichen und denkt sich: Eh klar, ein Tullner. Die Tullner gelten für die Klosterneuburger sozusagen als die ‚Bauernschädeln‘ - auch wenn es natürlich in Wirklichkeit nicht so ist." Nachsatz: "Natürlich ist es total kindisch, sich wegen einer Nummerntafel gegen eine Verwaltungsreform zu wehren. Trotzdem sind halt viele Klosterneuburger angefressen."

Besonders sauer stößt ihnen auf, dass nun ihre 26.700 Einwohner zählende Heimatstadt künftig der deutlich kleineren Bezirkshauptstadt Tulln (16.000 Einwohner) untergeordnet ist. Als Ausweg wurde einige Monate lang propagiert, Klosterneuburg zur Statutarstadt zu erheben. Ein eigenes Statut hätte auch ein eigenes Kfz-Kennzeichen ermöglicht - und so wurden in der ersten Jahreshälfte 2016 bei einer großangelegten "KG"-Kampagne tausende Unterschriften gesammelt.

Klosterneuburg fügtsich zähneknirschend

Grundsätzlich hätte der Plan durchaus aufgehen können, denn Städten ab 20.000 Einwohner mit überregionaler Bedeutung kann auf deren Antrag hin vom Land ein eigenes Statut verliehen werden (aktuell gibt es in Österreich 15 Statutarstädte: alle Landeshauptstädte außer Bregenz sowie Krems, Rust, Steyr, Villach, Waidhofen an der Ybbs, Wels und Wiener Neustadt) - wenn nicht Landeshauptmann Pröll sich von vornherein dagegen ausgesprochen hätte. Zudem hat eine Machbarkeitsstudie ergeben, dass ein eigenes Statut mit Mehrkosten von 3,5 Millionen Euro verbunden wäre. Eine Summe, über die selbst Gegner der Eingliederung in den Bezirk Tulln sagen, dass sie etwa im Sozialbereich besser investiert ist.

Neben der Statutarstadt gab es noch eine andere Idee: Der Klosterneuburger Gemeinderat Peter Hofbauer schlug eine Eingliederung in Wien vor, denn immerhin pendeln täglich tausende Klosterneuburger nach Wien, umgekehrt sind rund 7000 Wiener in Klosterneuburg zweitgemeldet. (1938 bis 1955 war Klosterneuburg ebenso wie Schwechat und Mödling schon einmal ein Teil von Wien.) Beide Vorschläge sind jetzt aber endgültig vom Tisch.

Trotzdem picken immer noch auf etlichen Klosterneuburger Autos "KG"-Aufkleber, und deren Besitzer wissen sich im Geiste einig mit ihrem Bürgermeister: "Ja, es tut schon weh, dass wir künftig die falschen Kennzeichen auf unseren Autos haben", meint Stefan Schmuckenschlager. Er fügt sich aber nolens volens und will sich auf die positiven Seiten konzentrieren: "Tulln ist der Bezirk von Leopold Figl, das ist für einen ÖVP-Politiker ja etwas Tolles. Und Tulln hat außerdem große Landwirtschaftsflächen und ist eine herrliche Weinregion."

Freilich haben manche Klosterneuburger den Kfz-Neukauf noch rasch ins heurige Jahr vorgezogen, um bloß kein "TU"-Taferl zu bekommen. Wenn also schon nicht "KG", dann wenigstens "WU". Die alten "WU"-Taferln bleiben schließlich unbefristet gültig. Ein Wechsel auf "TU", "KO", "PL" oder "BL" kostet 23 Euro.