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Die Sache mit der Wissenschaftsfeindlichkeit

Von Wolfram Patzer

Gastkommentare
Wolfram Patzer ist Lehrer für Deutsch und Geschichte an der HLW Linz-Auhof.
© privat

Die Vorurteile gegenüber Lehrern könnten damit zusammenhängen.


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Das menschliche Gehirn möchte unbedingt verstehen und versucht deswegen in allem, womit wir konfrontiert sind, eine Bedeutung zu erkennen und Vernetzungen zu suchen, selbst wenn diese nicht existieren. Dies könnte jetzt als grundlegende Erklärung für Verschwörungsmythen herhalten, doch folgender Text versucht, zwei Kommentare zu vernetzen, deren einziger Zusammenhang die "Wiener Zeitung" darstellt. Denn hin und wieder funktioniert es ja auch, das vernetzte Denken.

Wenn sich also etwa "Wiener Zeitung"-Redakteur Bernhard Baumgartner jüngst darüber wunderte, dass in Österreich eine so skeptische Haltung gegenüber der Wissenschaft und Akademikern besteht, und die Schülerin Fiona Hartmann zu Recht einen teils längst überholungsbedürftigen Lehrplan kritisierte, so könnte man sich doch fragen, ob da ein Zusammenhang besteht. Kurze Antwort: Ja!

Die etwas längere Erklärung: Davon abgesehen, dass Bildung mehr ist als zu lernen, wie man Steuererklärungen ausfüllt, spiegelt sich doch der Wunsch wider, auf das Leben vorbereitet zu werden. Und dieser Wunsch richtet sich an die Institution Schule sowie an deren leitende Stellen, die Finanzierung und rechtliche Grundlagen regeln. Doch wieso ändert sich nichts? Wegen der Wissenschaftsfeindlichkeit. Schüler sind keine Wählergruppe, und Lehrkräfte haben ein schlechtes Standing in der Gesellschaft. Sie sind Akademiker, mit denen sich folgender Umgang eingebürgert hat: Öffentlich diffamiert als Wenigleister (siehe Michael Häupls 20-Stunden-Sager), hingestellt als Versager (Wer nichts kann, der unterrichtet) und emotionalisiert (Lehrer mögen keine Kinder), haben sich einige Eltern und Schüler angewöhnt, bei jedweder Notengebung und Kritik (trotz Deckung durch die Leistungsbeurteilungsverordnung) sofort Beschwerde einzureichen - und recht bekommen (man will ja keine Wähler verärgern).

Somit wurde einigen Bürgern in den vergangenen 20 Jahren antrainiert, dass akademisches Schulpersonal trotz Unvermögens (sonst würden ja die Einsprüche nicht durchgehen) dennoch unterrichten dürfe (Fehler im System, gegen das man sich wehren muss). Ergo: Wenn das doch auf die Schule zutrifft, wieso sollte das dann nicht auf alle anderen Wissenschafter ebenfalls zutreffen, die ja auch "nur studiert" haben? (Ein Automechaniker mit 25 Jahren Erfahrung ist ideal, ein Lehrer mit 25 Jahren Erfahrung hat jedoch nie "das echte Leben gesehen".)

So sind durch die Wissenschaftsfeindlichkeit Forderungen nach echten Reformen immer gescheitert, weil sie von Lehrern unterstützt wurden. Diese Vernetzung mag weit hergeholt erscheinen. Aber wenn man schon an der Schule lernt, dass akademischem Personal nicht zu trauen sei, wieso sollte man anderen Akademikern und der Wissenschaft trauen? Somit könnte vielleicht doch ein Zusammenhang zwischen Bildung, Wissenschaftsfeindlichkeit und Schule entdeckt werden. Deshalb könnte der Kommentar der Schülerin nicht der letzte sein. Denn so schnell wird sich nichts ändern. Aus oben genannten Gründen.