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Die sanfte Umfärbung

Von Matthias Nagl und Simon Rosner

Politik

Tiroler und Kärntner Grüne entsenden Fachleute - Expertin Kalss begrüßt das.


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Ein Sitz in einem Aufsichtsrat ist für Politiker verlockend, bisweilen auch sinnvoll. Doch häufig fehlt es Politikern an fachlicher Qualifikation.
© Corbis/Tom Sibley

Salzburg. Einmal im Jahr organisiert die WU-Wien-Professorin Susanne Kalss den Aufsichtsratstag mit Workshops, Vorträgen und Diskussionen über Rolle und Aufgaben von Aufsichtsräten. Interessierte und engagierte Zuhörerin im Februar: Salzburgs Grünen-Chefin Astrid Rössler. Zu diesem Zeitpunkt saß Rössler noch in der Opposition, die Wahl im Mai machte sie zur Landeshauptmann-Stellvertreterin.

Auch in Kärnten und Tirol zogen die Grünen heuer in die Landesregierungen ein, und das bedeutet nicht nur mehr Mittel und Regierungsbüros, sondern auch die Möglichkeit zur Postenvergabe. In den Unternehmen und Gesellschaften, die den Bundesländern zur Gänze oder zum Teil gehören sind viele Aufsichtsratsposten zu besetzen, allein im Land Salzburg sind es 92, die direkt von der Landesregierung beschickt werden. Den Grünen stehen davon 32 Aufsichtsratsposten zu, von der Hypo bis zur Tierkörperverwertung.

In allen drei Bundesländern hatten die Grünen auch bei diesem Thema einen neuen Stil des Regierens propagiert, herausgekommen sind jedoch unterschiedliche Herangehensweisen.

Am lautesten hatten sich die Salzburger Grünen mit den Aufsichtsräten beschäftigt. Obwohl am kürzesten im Amt, mussten sie bisher die meiste Kritik einstecken. Bereits wenige Tage nach der Angelobung zog Landeshauptmann-Stellvertreterin und Grünen-Chefin Astrid Rössler in den Aufsichtsrat des Energieversorgers Salzburg AG ein. Dass sich die eben abgewählte SPÖ darüber empörte und eine reine Umfärbungsaktion witterte, war nicht überraschend. Ihre beiden Aufsichtsräte waren dadurch ausgeschieden. Auffällig ist jedoch, dass sich Rössler - anders als ihre grünen Regierungskollegen in Kärnten und Tirol - höchstpersönlich in strategisch wichtige Aufsichtsräte setzt.

Für Susanne Kalss ist das durchaus verständlich. "Der Informationsfluss ist viel schneller", sagt sie. Zudem sei es in privaten Gesellschaften auch üblich, dass die Eigentümer im Aufsichtsrat sitzen. Die Landesunternehmen direkt zu kontrollieren und bei etwaigen Problemen sofort informiert zu werden, ist für Politiker oft überlebenswichtig. Denn läuft etwas falsch, werden sie auch dafür verantwortlich gemacht. Dazu kommt ein weiteres Spezifikum: was betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, muss bei Landesbetrieben nicht immer gesellschaftlich wünschenswert sein. "Diesen Spagat haben sie bei allen Infrastruktur- und Energieversorgungsunternehmen. Das ist das Spannende bei Unternehmen mit Gemeinwohlausrichtung", sagt Kalss.

Strategisch wichtig

Auch der Grüne Klubobmann, Cyriak Schwaighofer erklärt Rösslers Gang in den Aufsichtsrat der Salzburg AG (Energie, Verkehr) mit dessen strategischer Bedeutung: "Für uns ist das ein Kernthema, das uns in der Regierung ständig betreffen wird", sagt Schwaighofer. Zusätzlich wird Rössler aller Voraussicht nach noch in den Aufsichtsrat der Baulandsicherungsgesellschaft Land Invest und des Nationalparks Hohe Tauern einziehen. Langweilig wird Rössler neben dem Ressort für Raumordnung und Umweltschutz mit drei Aufsichtsratsmandaten also nicht werden.

Dennoch mischt sie auch in anderen Landesunternehmen mit. "Am Flughafen ist Aufräumen angesagt", kündigte Rössler kürzlich an. Wer dort die den Grünen per Regierungsbeschluss zustehenden drei Aufsichtsratssitze einnimmt, ist noch nicht klar. Für Aufregung hat Rössler mit dieser Aussage jedenfalls gesorgt, schließlich war sie vor ihrem Eintritt in die Regierung als Sprecherin einer Anrainerinitiative gegen den Salzburger Flughafen aktiv.

Die Stadt Salzburg als Miteigentümerin ist in Person von Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) hochgradig verärgert und droht dem Land mit einer Klage, auch Gewerkschaft und Umlandgemeinden haben sich auf die Seite des Flughafens geschlagen.

Die übrigen Bestellungen sollen in Salzburg ruhiger über die Bühne gehen und auch die Öffentlichkeit einbezogen werden. Bis Mitte August kann jeder den Grünen geeignete Aufsichtsratskandidaten vorschlagen, eine Liste mit den zu vergebenden Posten haben die Salzburger Grünen auf ihrer Internetseite zum Download gestellt. Einzige Vorbedingung sind fachliche Kompetenz und Übereinstimmung mit den grünen Werten. "Ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, dass SPÖ-Kandidaten ihren Posten behalten", kündigt Schwaighofer an.

Den Vorteilen für Politiker, persönlich in den Landesgesellschaften zu sitzen, stehen eben auch Nachteile gegenüber. Für Susanne Kalss vom Institut für Zivil- und Unternehmensrecht überwiegen die Nachteile eindeutig. Das beginnt bei der häufig mangelhaften fachlichen Qualifikation. "Da geht es heute um hochqualifizierte Fragen in der Bilanzierung und Finanzierung", sagt Kalss. Dazu komme, dass Politiker auch stets "eine Mission haben", wie es Kalss formuliert. Und das birgt potenzielle Gefahren für das Unternehmen. Im wohlmeinenden Fall wird über das Interesse der Gesellschaft das landespolitische gestellt, "im schlimmsten Fall das parteipolitische", sagt Kalss. Der Aufsichtsrat darf eben auch Vorstände ernennen, "und dann habe ich die Verkrustung."

Die Tiroler Grünen gehen prinzipiell einen anderen Weg, vor allem im Hinblick auf die Regierungsmitglieder. In Innsbruck war es kein Thema, dass Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe - auch sie ist für Umweltschutz zuständig - in den Aufsichtsrat des strategisch wichtigen Energieversorgers Tiwag einzieht. Stattdessen haben die Grünen die unabhängige Schweizer Expertin Regula Imhof nominiert. Imhof war stellvertretende Leiterin des Naturschutzbündnisses Alpenkonvention und lebt in Tirol. "Für uns waren einzig der ökologische sowie der wirtschaftliche Sachverstand die ausschlaggebenden Kriterien und nicht das Parteibuch", sagte Klubobmann Gebi Mair bei der Bestellung.

Auch in den zweiten bisher besetzten Aufsichtsrat im Tiroler Landestheater kam mit einer Kulturmanagerin eine parteifremde Person. Für die Zukunft wolle man nicht ausschließen, dass auch aktive grüne Politiker in Aufsichtsräte einziehen, ein grünes Amt dürfe schließlich kein Ausschlusskriterium sein. "Das ist aber ein Weg, den wir eigentlich nicht gehen wollen", sagt Parteisprecher Sebastian Müller. Die bisherigen Besetzungen seien ein "bewusstes Zeichen" gewesen.

Aufwand wird unterschützt

Rolf Holub, einziges grünes Regierungsmitglied in Kärnten, sitzt ebenfalls in keinem Aufsichtsrat. Die Kärntner Grünen verfolgten eine ähnliche Strategie wie ihre Tiroler Kollegen. "Wir haben uns schon während der Oppositionszeit in fast allen Fachbereichen immer wieder mit Fachleuten auseinandergesetzt. Diese Fachleute haben wir gefragt, ob sie in einen Aufsichtsrat gehen könnten", erklärt Landessprecher Frank Frey.

In das Kontrollgremium des Energieversorgers Kelag wurde Peter Unterluggauer entsendet, er ist Unternehmensberater. In Kärnten kamen aber auch aktive Politiker zum Zug. So sitzt der Landtagsabgeordnete Reinhard Lebersorger in den Aufsichtsräten der Krankenhausgesellschaft Kabeg und der Landesholding.

Was häufig unterschätzt wird: Ein Aufsichtsratssitz kostet Zeit. "Das ist ein Riesenthema", sagt Kalss. "Man muss damit rechnen, dass man 20 bis 30 Tage pro Jahr damit beschäftigt ist, dazu kommt Vor- und Nachbereitung, und diese Zeit muss man als Politiker erst einmal haben."

In Wien, wo die Grünen seit 2010 mitregieren, ging die Partei ebenfalls den Weg mit Fachleuten. "Wo wir personell etwas mitzureden haben, gibt es Ausschreibungen und in der Regel Expertenbesetzungen", erklärt dazu ein Sprecher der grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou.

Finanziell nicht attraktiv

Finanziell sind die Aufsichtsratssitze übrigens nicht sehr attraktiv, betonen alle Landesparteien. Oft gibt es nur einige hundert Euro zu verdienen - jährlich. Für Politiker, die aus Sorge um einen Informationsmangel ein Mandat annehmen, wird das kein Hindernis sein, geeignete Fachleute könnten aber ihr Interesse verlieren. "Das ist ein Grundproblem in Österreich", sagt Kalss. Zwar herrscht hierzulande der Glaube, dass ein Aufsichtsratssitz primär ein bequemes Geldscheffeln ist, in der Realität gibt es aber nur Aufwandsentschädigungen. "Heute haben Aufsichtsräte eine Vielzahl von Einzelaufgaben, es ist ein intensives Begleit- und Überprüfungsprogramm, dazu kommt eine echte Verschärfung der Haftung." Zwar findet auch Kalss, dass Regierungspolitiker nicht extra bezahlt bekommen sollen, "das aktienrechtliche Risiko muss man ihnen aber abgelten".

Eine echte Vergütung statt einer Entschädigung würde laut Kalss in landeseigenen Gesellschaften auch bei der Lösung eines weiteren systemischen Problems helfen. Durch das Wettbewerbsverbot können für Aufsichtsratsmitglieder gewisse Opportunitätskosten auftreten. "Und dann erwarten sie eben einen anderen Vorteil, weil sie nicht direkt für ihre Leistung bezahlt werden", sagt Kalss. "Das ist einer der Gründe für die Verfilzung."

Ein Salzburger Unternehmen stellt übrigens eine Ausnahme dar: Die Hypobank, die im Finanzskandal in die Schlagzeilen geriet, zahlt recht ordentlich für Aufsichtsräte. Auch dort steht den Grünen ein Aufsichtsratsmandat zu. Interessenten können sich den Grünen übrigens auch selbst antragen.