Die EU und Österreich waren solidarisch mit ihren Nachbarn, diese verweigern ihre Solidarität nun ausgerechnet beim Thema Flüchtlinge.
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Ungarnkrise 1956, Prager Frühling 1968, Polenkrise 1981: Der Exodus vor den kommunistischen Repressalien führte hundertausende Menschen gen Westen. Die kapitalistischen Länder Europas, allen voran Österreich, nahmen die Nachbarn in Not auf. Später nahmen sie die Länder zur Gänze auf - in die EU. Das kapitalistische Europa erzielte natürlich seine Rendite dafür, in Form neuer Märkte und Traumgewinne für Unternehmen wie Raiffeisen oder OMV. Aber es ließ sich die Wiedervereinigung Europas auch etwas kosten. Die Nettozahler wie Österreich, Schweden oder Deutschland überwiesen Milliarden für neue Kläranlagen, Brücken, Straßen, Ämter, Verwaltungsgebäude oder Zollstationen.
Nun sind die Nettozahler-Nachbarn in Not. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat zu Christi Himmelfahrt den "Asyl-Notstand" ausgerufen. In wieweit der Notstand nur das Systemversagen Österreichs widerspiegelt, wäre Teil einer eigenen Kolumne. Dass Mikl-Leitner die Solidarität auch der Osteuropäer einfordert, ist aber mehr als legitim. Es geht um die bessere Aufteilung der Asylwerber, die vor dem regionalen Weltkrieg in Syrien, Afghanistan, Irak oder Libyen flüchten und dabei in Kauf nehmen, mit ihren Kindern im Mittelmeer zu ertrinken.
Ausgerechnet die Politiker Mittelosteuropas kämpfen nun an vorderster Front gegen die gerechte Aufteilung dieser Menschen. Und Das ist schwer erträglich. Sie können sich mehr Flüchtlinge mittlerweile nämlich leisten - auch dank Wieder-Aufbauhilfen aus dem Westen.
Hier geht es nicht um Bulgarien, das am nächsten an den Krisenregionen dran ist und im Vergleich zum niedrigen Wohlstand überproportional viele Flüchtlinge aufnimmt.
Es geht um Ungarn, Polen, Tschechien, die Slowakei, Slowenien oder die Baltenländer. Natürlich haben auch diese Länder noch nicht zum Wohlstand Westeuropas aufgeschlossen. Deswegen bekommen diese Länder auch weiterhin Geld aus den EU-Töpfen. Doch in den Regionen Bratislava, Budapest, Prag oder Krakau liegt der Wohlstand bereits deutlich über ärmeren Regionen in Österreich wie etwa dem Waldviertel. Dort und in anderen Österreich-Gemeinden sollen sich die Bürgermeister nun einen Ruck geben, damit Asyl-Zeltstädte keine Dauereinrichtung werden. Aber einen umso größeren Ruck braucht es in reicheren Gemeinden Osteuropas.
PS.: Vor zehn Jahren im Tschetschenienkrieg nahm Österreich 70 Prozent der Tschetschenen auf, die Asyl riefen. Die Anerkennungsquoten zum Vergleich: Tschechien: 9 Prozent, Polen 6 Prozent, Slowakei und Slowenien 0 Prozent.