)
Die Herausforderer Erwin Prölls zwischen Streichelkurs und Utopie.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Die Chancen von Landeshauptmann Erwin Pröll, in Niederösterreich seine Absolute zu verteidigen, sind mehr als intakt. Die Prognosen pendeln zwischen 48 und 51 Prozent der Stimmen und selbst mit weniger als 50 Prozent könnte es sich von den Mandaten her ausgehen. Das wäre ein Husarenstück, denn immerhin nascht mit Stronach einer mehr am Wahlkuchen. Gelingt es, liegt es zum einen an der Stärke der Wahlkampfmaschinerie. Die Botschaften waren klar ("Er gegen alle, alle gegen ihn"; Stronach als Nestbeschmutzer), die Inszenierung von Auftritten und Plakaten amerikanisch wie nie. Zum anderen liegt es an der Opposition.
So ist es keineswegs sicher, dass sich die niederösterreichische SPÖ mit ihrem Spitzenkandidaten Josef Leitner von der historischen Schlappe 2008 mit 25,5 Prozent erholen kann; manche Meinungsforscher sagen gar weitere Verluste voraus. Bei Gleichstand oder Verlusten wäre Leitner wohl Geschichte. Seine sachlichen Botschaften von mehr Kinderkrippen, mehr Altenpflege vor Ort gingen im Duell Pröll-Stronach unter. Leitner schaffte es nicht, kernig auf den Tisch zu hauen und sich ins Rampenlicht zu stellen. Dafür ist sein Kern zu weich.
Noch entscheidender für die SPÖ ist die Mobilisierung der eigenen Wähler. Und dafür kann man schwarz sehen, wenn ein rotes Aushängeschild wie der Purkersdorfer Bürgermeister und Ex-Innenminister Karl Schlögl von den Malediven ausrichtet, er wünsche sich, dass "Pröll eindrucksvoll bestätigt wird", und andere rote Bürgermeister bekennen: "Unser erster Ansprechpartner ist die ÖVP." 20 Jahre Pröll und 20 Jahre finanzielle Abhängigkeit von ihm bei Bedarfszuweisungen hinterlassen Spuren der Ermüdung. Dazu kommt, dass auch die SPÖ an das Team Stronach verlieren wird.
"Mut zur Heimat", "Näher beim Menschen", jo eh . . .
Noch stärker könnte die FPÖ an den Polit-Milliardär verlieren. Sonst ist sie die erste Adresse für Protestwähler. Wenn jetzt Stronach beim Wirten gegen das System poltert, ist nicht selten "Wie der Jörgl" zu hören. Das könnte den weiteren Aufholprozess von Barbara Rosenkranz von sechs Prozent 2003 auf 10,5 Prozent 2008 neutralisieren. Dazu kommt, dass Rosenkranz‘ Leitspruch "Mut zur Heimat" neben dem Gepolter von Pröll und Stronach ähnlich saftlos wirkte, wie der SPÖ-Spruch "Näher beim Menschen". Ihre Forderung nach einer Waldviertel-Autobahn und der Wiedereinführung von Grenzkontrollen Richtung Tschechien, Slowakei mögen Pendler und Einbruchsopfer angesprochen haben, gleichzeitig haftete ihnen im Fall der Autobahn etwas Fernes, im Fall permanenter Grenzkontrollen etwas Utopisches an - Österreich müsste dafür die EU verlassen.
Die Grünen trommelten ein Thema am lautesten, das auch FPÖ und SPÖ platzierten: Das Ende der Spekulation mit niederösterreichischen Wohnbaudarlehen. Angefacht vom Salzburger Finanzskandal war dies das einzige greifbare Thema, das so manchen Wählern unter den Nägeln brannte. Doch bis zum Schluss schafften es Pröll und sein dafür zuständiger Finanzreferent Wolfgang Sobotka, die Verluste der Veranlagungen zu relativieren und zu geringe Gewinne umzudeuten. Vielsagend für die Zeit nach der Wahl könnte sein, dass Grünen-Chefin Madeleine Petrovic nie den Landeshauptmann persönlich ins Visier nahm, sondern Sobotka. Das könnte daran liegen, dass sie auf eine Zusammenarbeit mit Pröll schielt, sollte dieser seine Absolute verlieren. Gegenüber der "Wiener Zeitung" hat sie das auch erstmals bestätigt: "Schwarz-Grün, Why not?"
Schwarz-Grün bald gemeinsam im Postbus?
Ein griffiges Thema haben die Grünen mit dem 365-Euro-Ticket platziert, das sie als eine Bedingung für Schwarz-Grün machen. In Wien ließ das 365-Euro-Öffi-Ticket die Zahl der Dauerkarten um 100.000 Stück explodieren. Ein Zugehen auf Bus- und Bahnfahrer wäre für Pröll wohl kein Beinbruch, da bräuchte er nur bei Freund Michael Häupl nachfragen.