Natürlich kommen sie jetzt alle hervorgekrochen: Die Moralapostel, die die Abkehr von der Höher-Schneller-Weiter-Doktrin fordern, die Pragmatiker, die auf das Berufsrisiko verweisen und darauf, dass die Athleten mit diesem nicht nur leben müssen, sondern es sogar suchen. Am größten freilich ist die "Ja, aber"-Fraktion: Das Spektakel ist gut, mehr Sicherheit aber nötig. Zu einem Sturz wie jenem des Skifahrers Hans Grugger im Training für die samstägige Abfahrt in Kitzbühel hat jeder seine Meinung. Und keine davon ist völlig falsch.
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Dennoch sind diese Diskussionen müßig. Die nach dem Motto "Es soll gefährlich ausschauen, aber nicht (lebens)gefährlich sein" geforderte Sicherheitsgarantie gibt es nicht. Die Maßnahmen sind besser denn je, und dass regelmäßig vorgebrachte Ideen vom Aufrauen der Piste zwecks Tempodrosselung bis zu einer langsameren Kurssetzung keinen Erfolg bringen, hat gerade dieses Training gezeigt. Die Piste war ob der Schneelage ruppig wie selten, was einige ganz abgesehen von der Belastung für die Gelenke nachher von der schwierigsten Streif aller Zeiten sprechen ließ, die Kurve vor der Mausefalle eng gesetzt, um geringere Geschwindigkeiten zu erzwingen. Abgesehen davon, dass keiner freiwillig langsam fährt, wurde Grugger genau diese engere Kurve zum Verhängnis.
Was also tun? Damit leben, dass der Sport halt gefährlich ist? Dass der Chance auf einen triumphalen Sieg die Möglichkeit des Scheiterns mit all seinen mitunter tragischen Konsequenzen immanent ist? Dass die voyeuristische Öffentlichkeit nach Krimis und Tragödien giert, um damit andererseits ihre Helden zu legitimieren? Das trifft sicher nicht auf alle Sportarten zu, auch Snooker hat seine Fans und ein Lionel Messi, der mit dem Fußball tanzt, ist allemal ein ästhetischerer Anblick als ein zerschundenes Gesicht.
Doch der Skisport im Allgemeinen, die Abfahrt im Besonderen und Kitzbühel ganz speziell beziehen einen Großteil ihres Reizes aus der Gefahr. Immer wieder wird auch von den Verantwortlichen auf den von Verletzten begleiteten Mythos Streif verwiesen. Kitzbühel inszeniert sich selbst gerne als Ort des brutalsten Rennens. Und wagt jemand, dies in Abrede zu stellen wie dereinst Hermann Maier, geht ein Schrei der Entrüstung durch die Nation. Hans Grugger oder Daniel Albrecht rücken zynischerweise dieses Bild wieder zurecht und nähren den Mythos. So lange Kitzbühel an ihm festhalten will, die Fahrer auf den Nervenkitzel verweisen, um sich diesem Sekunden später mit 150 Stundenkilometern hinzugeben, und die Industrie Millionen zahlt, um beim gefährlichsten aller Rennen im Bild zu sein, sind Tragödien wie jene von Hans Grugger nie auszuschließen.