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Die Schattenspiele der Diplomaten

Von Alexander U. Mathé

Politik

Außenminister Lieberman war zu Blitzbesuch in Wien. | Streng geheime Verhandlungen im Hintergrund. | Wien. Israels Außenminister holt in Wien einen aus libyscher Haft entlassenen Landsmann ab. Als diese Meldung bei den Medien am Montag eintrudelte, war Avigdor Lieberman mit dem wegen Spionage festgenommenen Rafael Haddad auch fast schon wieder weg. Alles lief sauber ab: schnell, sicher und vor allem unauffällig. Lieberman landete am Sonntag in Wien und flog am nächsten Tag in aller Früh in Begleitung Haddads wieder ab. Eine erfolgreiche Befreiungsaktion. | Tauziehen um israelischen Agenten


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Was sich der Öffentlichkeit als kurze, wenn auch sensationelle Meldung präsentiert, ist - wie so oft in solchen Fällen - nur die Kirsche auf einem mit ungeheurem Aufwand, Geheimhaltung und harten Verhandlungen im Hintergrund von Politikern und Diplomaten gebackenen Kuchen. Das wahre Ausmaß kann man auch viel später oft nur erahnen.

Wenn die Diplomatie übernehmen muss

Im Fall Haddad begann es damit, dass es gar keinen Fall Haddad gab. Sein Verschwinden vor fünf Monaten, als er angeblich versuchte, das jüdische Erbe in Libyen fotografisch zu dokumentieren, unterlag nämlich strenger Zensur; er galt als verschollen. Doch im Hintergrund arbeiteten die Regierungsstellen in Jerusalem heftig daran, Haddad nach Hause zu holen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wandte sich an seine Kollegen in Frankreich, Italien und sogar in den USA mit der Bitte um Hilfe.

Wenn die Politik am Ende ist, schlägt die Stunde der Diplomaten. Nur allzu oft ist das größte Problem, dass zwei Parteien mit einander reden müssten, obwohl sie das offiziell, beziehungsweise aus politischen Gründen, gar nicht dürfen. Wie etwa im Fall von Israel und Libyen oder zwischen Ost und West zur Zeit des Kalten Krieges.

In solchen Fällen wird gerne nach vertrauenswürdigen Vermittlern gesucht, die über gute Kontakte zu beiden Seiten verfügen. In der österreichischen Geschichte haben auf diesem Gebiet die Sixtus-Briefe Berühmtheit erlangt. Während des Ersten Weltkriegs versuchte Kaiser Karl hinter den Kulissen Frieden auszuhandeln. Vermittelt wurde von den belgischen Prinzen Sixtus Ferdinand von Bourbon-Parma und Franz Xavier von Bourbon-Parma, die beide Brüder seiner Frau Zita waren.

Heute fast täglich aktuell sind die geheimen Verhandlungen einer Regierung bei Geiselnahmen durch Terroristen. Kein Staatenlenker der Welt kann es sich leisten, offiziell mit solchen Leuten zu verhandeln. Denn eine Einigung würde bei anderen Terroristen nur die Lust auf Nachahmung wecken. Als Resultat vernimmt man nur allzu oft die Nachricht von wunderbaren Freilassungen, bei denen es zu keinerlei Gegenleistung gekommen sein soll. Auch wenn diplomatisches Geschick oftmals auf sanfte Weise Türen zu öffnen weiß, an denen sich andere mit der Brechstange versucht haben.

Ein Mann mit Erfahrung auf diesem Gebiet ist der österreichische Botschafter Anton Prohaska, dem es dank seiner ausgezeichneten Beziehungen zu Entscheidungsträgern in der arabischen Welt gelang, die Freilassung der österreichischen Geiseln in Mali vor zwei Jahren in die Wege zu leiten. Bereits davor war er auf mehreren Missionen im Nahen Osten und spielte unter anderem bei der Befreiung amerikanischer und israelischer Geiseln im Libanon eine wichtige Rolle.

Martin Schlaff, Mann mit besten Kontakten

Im Fall um Rafael Haddad brachten weder politische noch diplomatische Kontakte den ersehnten Erfolg, was vor zwei Monaten den Wiener Geschäftsmann Martin Schlaff auf den Plan rief. Er ist schon seit langem bekannt als Mann für delikate Fälle und hat sich als Verhandler im Nahen Osten einen Namen gemacht. Er soll ausgezeichnete Kontakte zum libyschen Revolutionsführer Muammar Gaddafi pflegen und insbesondere zu dessen Sohn sowie wahrscheinlichem Nachfolger Saif Islam Gaddafi.

Gleichzeitig hat Martin Schlaff aber auch sehr gute Freunde in der israelischen Regierung. Diese Beziehungen setzte er seinerzeit ein, um das angespannte Verhältnis zwischen Israel und Österreich im Jahr 2002 wieder zu normalisieren.

Diesmal war es aber der israelische Außenminister, der sich an ihn wandte, um Rafael Haddad zu befreien. Rückblickend erscheinen Meldungen aus jener Zeit in einem völlig anderen Licht. Etwa der Motorschaden an einem libyschen Schiff, das im Konvoi mit türkischen Schiffen die israelische Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen versuchte. Wie erst jetzt bekannt wurde, sollte damit die Fahrt verzögert werden, bis die Vermittlungen Schlaffs zum Abschluss kämen.

Es wurde sogar - eine Seltenheit - das Gegengeschäft bekannt, oder zumindest ein Teil davon. Laut der Nachrichtenagentur AP willigten die Israelis im Rahmen des von Schlaff ausgehandelten Geschäfts im Juli ein, dass 20 Stück vorfabrizierte Häuser an Bord eines libyschen Schiffes über Al Arish in Ägypten in den blockierten Gaza-Streifen gebracht werden durften.

Wien als Übergabeort ungebrochen beliebt

Nach erfolgreicher Vermittlung folgt als letzter Schritt die Übergabe. Hier erfreut sich Wien offenbar ungebrochener Beliebtheit als logistischer Knotenpunkt für Transaktionen. Im Fall von Haddad bot sich die Heimatstadt Schlaffs zwar geradezu an, der den Freigelassenen mit seinem Privatjet von Tripolis nach Wien bringen konnte. Doch schon vor wenigen Wochen war der Hauptstadt-Flughafen Schauplatz eines Agentenaustausches zwischen den USA und Russland.

Abgesehen von seiner Geschichte und seinem Ruf als Spionage-Hochburg ist Wien wahrscheinlich deshalb für Transaktionen dieser Art so beliebt, weil es trotz EU-Mitgliedschaft an seiner Neutralität festhält. Auch der Ruf unkomplizierter Kooperationsbereitschaft eilt den österreichischen Behörden voraus. Der bestätigte sich im Fall Haddad. Der Israeli hatte zwar keinen Pass, weil er ihn in Libyen zurücklassen musste, doch das sei "kein Problem" gewesen, hieß es aus der israelischen Botschaft in Wien. Österreich habe dennoch seine Einreise akzeptiert.

Der Erstkontakt mit den österreichischen Behörden wird typischerweise über das Außenministerium hergestellt. Gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium, zudem dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und dem Innenministerium wird ein Logistikplan ausgearbeitet, an dessen Ende der erfolgreiche Abschluss der Transaktion steht.