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Die Schattenwirtschaft wächst

Von Elisabeth Minkow

Politik

Bei Einheimischen und Migranten ist der Anteil an Schwarzarbeit gleich hoch.


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Wien. "Schwarzarbeit ist in Staaten wie Schweden und Frankreich viel stärker tabuisiert als bei uns", betont Gudrun Biffl, Leiterin des Departements für Migration und Globalisierung an der Donau Uni Krems. Das dürfte mit ein Grund dafür sein, weshalb Einheimische in Österreich zu einem genauso hohen Anteil irregulär beschäftigt sind wie Migranten. Jedoch würden manche Zuwanderer in die Schattenwirtschaft gedrängt werden. Das sind meist jene, denen der Zugang zum Arbeitsmarkt verschlossen ist: "Wer zum Beispiel in Österreich einen negativen Asylbescheid kriegt, aber aus humanitären Gründen nicht abgeschoben werden kann, sitzt in der Falle", unterstreicht Gudrun Biffl.

Dass es zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Migranten keine einfachen Lösungen gibt, zeigte in dieser Woche in Wien eine Konferenz des von der EU geschaffenen Europäischen Migrationsnetzwerks. "Ich misstraue einfachen Lösungen", sagt Biffl, eine der Vortragenden. Eines wurde aber deutlich: Die Interessen von Zuwanderern und Einheimischen sind stärker ineinander verflochten, als es auf den ersten Blick scheint. Unbegründet sei etwa die Angst, Ausländer würden Einheimischen die Jobs abspenstig machen, sagt Biffl. Manche Arbeitnehmervertretungen gingen von der falschen Annahme aus, es gebe eine bestimmte Anzahl verfügbarer Jobs, die man den Einheimischen sichern müsse. "Unberücksichtigt bleibt, dass Migranten auch die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen anheben", erklärt die Wirtschafts- und Migrationswissenschafterin. Somit kurbeln sie auch die Wirtschaft an und tragen dazu bei, dass der Arbeitsmarkt wächst.

Schwarzarbeit ist bei uns kein Massenphänomen

Wer Migranten in die Schwarzarbeit drängt, übersehe die Konsequenzen für regulär Beschäftigte, erläutert Biff. In der Schattenwirtschaft fehlen "ein soziales Sicherheitsnetz und die Kontrolle durch den Betriebsrat", betont sie. Diese ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse würden auf Dauer auch die Arbeitsbedingungen am regulären Arbeitsmarkt verschlechtern: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, würden dann auch dort Sozialleistungen und Löhne gekürzt.

Schwarzarbeit ist in Österreich kein Massenphänomen: Mit nur acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt sie hierzulande sogar unter dem OECD-Durchschnitt von 13,4 Prozent. Angeführt wird die Liste der Schattenarbeit von Lettland mit rund 40 Prozent. Einen Grund für den geringen Wert sieht Biffl in der großen Einkommensschere am regulären Arbeitsmarkt: Gerade auch junge Menschen könnten zurzeit zu vergleichsweise geringen Gehältern einsteigen. Wo das nicht möglich ist, nehmen irreguläre Beschäftigungsverhältnisse zu.

Doch die Schattenwirtschaft wächst - auch in Österreich. Das liege an der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Durch neue Beschäftigungsformen wie Freelancing oder freie Dienstnehmer könnten heute Arbeitnehmer ihre reguläre Arbeit mit Schwarzarbeit kombinieren. "Informelle Arbeit kann ein Zubrot für Personen sein, die wenig Einkommen haben." Die Forschung sehe in der Schattenwirtschaft zunehmend "ein Strukturmerkmal der modernen, liberalen Marktwirtschaft". Schwarzarbeit wird nicht länger eine Randerscheinung sein.

Der Fortbestand des heimischen Wohlfahrtsstaats wird über Schwarzarbeit unterwandert. Bedeutet das künftig amerikanische Verhältnisse ohne Sozialstaat wie bisher? Dazu Biffl: "Wir sind auf dem besten Weg dorthin."