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So wie jetzt Telefonkunden nicht nur über die heimische Post, sondern auch über andere Telefongesellschaften telefonieren, oder seit Februar 1999 Stromgroßverbraucher auch bei anderen
Stromlieferanten als bei der heimischen Landeselektrizitätsgesellschaft buchen, so sollen sich Bahnkunden künftig ihre eigene Eisenbahngesellschaft aussuchen können. Wie bei der Telefongesellschaft
soll ein Regulator verhindern, daß der heimische Monopolbetrieb die Konkurrenz hinausekelt. Verkehrsminister Caspar Einem hat ein "Schienenverkehrsmarkt-Regulierungsgesetz" zur Begutachtung
ausgeschickt. Der Entwurf über die "Schienen-Schiedsrichter", "Rail-Regulator" genannt, ist umstritten. Trotzdem soll das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden.
Wunschvorstellungen
Eine Zielvorstellung der EU: Freier Wettbewerb auch auf der Schiene! Das ÖBB-Monopol soll fallen. Auch andere staatliche oder private Eisenbahngesellschaften sollen auf Österreichs Schienentrassen
fahren dürfen · vorausgesetzt, sie zahlen dafür ein Benützungsentgelt. Ob die gewünschte Eisenbahn-Trasse aber an die Konkurrenz zur gewünschten Zeit vergeben werden kann, bestimmen weiter die ÖBB.
Das Schienenverkehrsmarkt-Regulierungsgesetz soll für fairen Wettbewerb sorgen. Eine eigene Eisenbahn-Control Kommission soll als Regulator fairen Wettbewerb garantieren und bei Wettbewerbsverstößen
und Diskriminierungen einschreiten.
"Diskriminierungsfrei"
Die Benützung von Haupt- und Nebenbahnen, Ausbildungseinrichtungen, Bahnhöfen, Güterterminals, Informationssysteme und Energie sollen laut Gesetzestext auch anderen Eisenbahnunternehmen
"diskriminierungsfrei und gegen einen angemessenen Preis" gestattet sein.
Als Wettbewerbsaufsicht wird eine "Schienen-Control Gmbh" eingerichtet. Ihre Hauptaufgaben sind:
Õ Marktbeobachtung über die Wettbewerbsentwicklung
Õ Vierteljährliche Veröffentlichung der freien Zugtrassen
Õ Überwachung und Stellungnahmen zu Eisenbahn-Benützungsverträgen
Õ die Geschäftsführung für die Schienen-Control Kommission. Bei Wettbewerbsbenachteiligungen sind Beschwerden an diese Kommission zu richten.
Wettbewerbsverstöße und Verwaltungsübertretungenen "sind vom Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr mit einer Geldstrafe bis zu 100.000 Schilling zu bestrafen", wenn die Konkurrenten
nachweislich diskriminiert werden. Beispiele möglicher Diskriminierungstricks:
Diskriminierungstricks
Um attraktive Trassen für Mitbewerber zu blockieren, könnten Fahrplantrassen angefordert werden, ohne diese Trassen dann zu nutzen. . .
Mitbewerber könnten bei der Ausbildung der Mitarbeiter oder der Fahrzeugzulassung durch die staatliche Zulassungsbehörde benachteiligt werden, weil diese das staatliche Eisenbahnunternehmen
bevorzugen könnte. . .
Nicht im Fahrplan festgelegte Fahrten (Dienstzüge, Lokzüge, Verschubfahrten) werden verzögert, im Störfall Züge von Mitbewerben länger zurückgehalten. . .
Schleppende Abfertigung bei Fahrzeugreparaturen, Kundeninformationen. . .
"Große" Eisenbahnunternehmen könnten die Schienenfahrzeugindustrie unter Druck setzen, um "kleine" Mitbewerber bei der Belieferung mit modernen Fahrzeugen zu benachteiligen · oder, gebrauchte
Schienenfahrzeuge werden nicht mehr am Gebrauchtwagenmarkt angeboten, sondern verschrottet, um kleinen, aber nicht so kapitalkräftigen Mitbewerbern den Kauf billiger Fahrzeuge nicht mehr zu
ermöglichen. . .
Auch wenn diese vorauseilenden Befürchtungen aus einem Diskriminierungskatalog nicht zwingend auf die ÖBB zutreffen · Kritiker wünschen sich mehr Rechte für den Regulator und sehen die ÖBB weiter in
geschützter Monopolstellung.
Alle Parteien · ausgenommen die SPÖ · kritisieren die Monopolstellung der ÖBB, wünschen sich mehr Rechte für den Regulator und vermissen eine stärkere Liberalisierung.
Lorenz Fritz, Generalsekretär Industriellenvereinigung, sieht den Eisenbahn-Liberalisierungs-Versuch grundsätzlich positiv, aber zu wenig weitreichend: Vorbild sollte der Telecom-Regulator sein. Der
Regulator müßte auch Fahrpläne und Benützungsentgelte festlegen können. Die ÖBB sollten in eine eigene Infrastrukturgesellschaft und Betriebsgesellschaft klar getrennt werden, um Quersubventionen zu
vermeiden.
SPÖ-Abg. Rudolf Parnigoni sieht diese Trennung im Rechnungswesen der ÖBB schon enthalten und ist entschieden dagegen, daß die ÖBB in eine eigene Gesellschaft "Infrastruktur" und in eine
eigene Gesellschaft "Betrieb" zertrennt wird.
ÖVP-Abg. Helmut Kukacka will mehr Rechte für den Schienenverkehrs-Regulator bei der Trassenzuweisung und beim Benützungsentgelt.
FPÖ-Verkehrssprecher Reinhard Firlinger will einen unabhängigen Regulator bei der EU-Verkehrskommission in Brüssel angesiedelt sehen.
Für das LIF fordert Abg. Thomas Barmüller eine stärkere Rolle des Regulators, um dadurch eine Diskriminierung bei der Liberalisierung im Schienenverkehr z.B. bei der Trassenvergabe verhindern.
Für die Grün-Abg. Gabriela Moser ist der vorliegende Gesetzesentwurf untauglich. Sie fordert eine von der ÖBB abgekoppelte Trassenvergabe und garantierte Sozialstandards im Falle einer
Liberalisierung.
Einem findet die Kritik nicht außergewöhnlich, die Umsetzung in dieser Legislaturperiode hängt für ihn von einer Hauptbedingung ab: "Wenn ein operativer Regulatur gefordert wird, eine Behörde, die
zentral einen Fahrplan für alle festlegt, dann wird der Gesetzesentwurf scheitern."
Warnung des Verkehrsexperten Hermann Knoflacher: Zuviel Liberalisierung könnte Eisenbahnkunden benachteiligen: "Wenn man die Deregulierung zu weit treibt, dann haben wir die gleichen schlechten
Verhältnisse wie beispielsweise in Großbritannien. Eine unübersichtliche Preisgestaltung. Auf Kleinkunden wird keine Rücksicht genommen. Jeder einzelne Betrieb versucht, für sich aus dem System die
größten Gewinne zu ziehen und dabei bleibt der Kunde und besonders der ,kleine Kunde` auf der Strecke."Õ
Ferdinand Krenn ist Mitarbeiter der ORF-Parlamentsredaktion