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Der jetzt verkündete Stopp für den Lobautunnel löst die Wiener Verkehrsprobleme nicht.
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Die grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hat Neubauprojekte der Asfinag, wie den Wiener Lobau Tunnel, evaluiert und nun auch teilweise gestoppt, was zu einem Aufstand der betroffenen Bundesländer von Vorarlberg bis Wien geführt hat. Gewessler ist zuzustimmen, dass angesichts des Klimawandels gerade langfristige Infrastrukturprojekte - auch neue Straßenprojekte - auf ihre Wirkung überdacht werden müssen. Nicht jede Straße ist sinnvoll - eine sinnvolle Umfahrung Wiens mit Donauquerung, um die bestehende Lücke im Schnellstraßennetz zu schließen, aber schon. Im ländlichen Raum werden die meisten Orte umfahren, um die Bevölkerung vom Verkehr zu entlasten. Warum dies gerade für Wien nicht gelten sollte, ist schleierhaft.
Wien hat das Problem, dass die bestehende Straßenverkehrsinfrastruktur durch Lkw-Transitverkehr sowie innerstädtischen und Pkw-Pendlerverkehr überlastet ist. Insbesondere die Südosttangente wird immer wieder zum Stau-Hotspot, was den CO2-Ausstoß und die Belastung der Verkehrsteilnehmer und Anrainer noch verstärkt. Der Verkehr ist also bereits da und die aktuelle Infrastruktur überlastet, mit negativen Nebenwirkungen für Anrainer, Verkehrsteilnehmer und Umwelt. Es braucht also eine sinnvolle Umfahrung Wiens, um die Südosttangente, die auch von Ferntransportern zwischen Italien und Polen verstopft wird, zu entlasten.
Öffentlichen Personenverkehr auf Güterverkehrsstrecken ausbauen
Diese Probleme lassen sich freilich nicht alleine durch einen Lückenschluss im Schnellstraßennetz lösen, sondern es braucht auch einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs in Wien und Niederösterreich sowie eine Verlagerung des Lkw-Verkehrs auf Bahn und Binnenschifffahrt. Die Ministerin könnte das S-Bahn-Netz in Wien und Niederösterreich auf bestehenden Gleisen ausbauen. Es gibt in Wien ÖBB-Bahnstrecken, die voll intakt sind und regelmäßig von Güterzügen befahren werden - sie könnten als dauerhafte Routen für vermehrten Personenverkehr, insbesondere auch für Pendler, genutzt werden.
Der Wiener S-Bahn-Ring kann also auf vorhandenen Güterverkehrsnetzen verwirklicht werden. Ein Teil ist schon als Vorortelinie (S45) verwirklicht, von Hütteldorf bis Handelskai (S1, S2, S3, S4, S7, U6), wo er derzeit endet. Eine Vollendung wäre auf vorhandenen Stecken möglich: über Reichbrücke (U1), Stadion (U2, zukünftiger Fernbus-Terminal), Praterkai (S80, S11, S21, S71), Hafen/Kraftwerk Freudenau, Kaiserebersdorf (S7), Oberlaa (U1) bis Hütteldorf - oder alternativ über Kaiserebersdorf, Hauptbahnhof und Meidling (um diese beiden wichtigen Knoten einzubinden) bis Hütteldorf. Der Wiener S-Bahn-Ring wäre dadurch lückenlos geschlossen und auch eine gute Querverbindung der Außen- beziehungsweise Flächenbezirke untereinander gewährleistet. Das Nadelöhr ÖBB-Stammstrecke zwischen Floridsdorf und Hauptbahnhof, wo derzeit technisch keine deutliche Frequenzerhöhung möglich ist, würde entlastet.
Was Pendlerverkehr aus Niederösterreich durch die Donaustadt zum Hauptbahnhof betrifft, wären zusätzliche S-Bahnen (S11, S21) vom Hauptbahnhof über den Bahnhof Simmering (U3) zum Schnellbahnkreuz Süßenbrunn durch Nutzung der Güterverkehrstrecke zwischen Stadlau (U2) und Süßenbrunn möglich. Mit zusätzlichen S-Bahnen aus Richtung Gänserndorf (S11) oder Wolkersdorf (S21) zum Hauptbahnhof würde der Großraum Donaustadt mit eingebunden - bei gleichzeitiger Entlastung der Stammstrecke zwischen Floridsdorf und Hauptbahnhof und zusätzlich kürzeren Fahrzeiten.
Auf diesen alten Güterverkehrsstrecken fehlen natürlich moderne Bahnsteige mit funktionstüchtigen Umsteigemöglichkeiten zu den bestehenden Linien wie U-Bahn, Straßenbahn und anderen ÖBB-Strecken. Aber weil es sich fast ausschließlich um Adaptierungen und nicht um Neuerrichtungen handeln würde, wären viele Verfahren deutlich kürzer oder könnten ganz entfallen, was ein Vorteil gegenüber Neueinreichungen wäre.
Billige Finanzierung rasch nutzen, Lkw-Transit verringern
Es sollte rasch gehandelt werden, solange Asfinag und ÖBB-Infrastruktur noch eine billige Notenbankfinanzierung für ihre Investitionen besitzen. Durch das kommende Parkpickerl in Wien ist auch eine Verlagerung vom Pkw zum öffentlichen Verkehr zu erwarten. Während in Wien der öffentliche Verkehr schon gut ausgebaut ist, gibt es in diesem Bereich in Niederösterreich, wo bis zuletzt Bahnstrecken stillgelegt wurden, noch viel zu tun. Die Bahnhöfe, insbesondere auch U-Bahn-, S-Bahn- und andere wichtige Stationen, sollten multimodale Knoten werden, mit Anbindung an die Fläche durch Fahrräder, E-Bikes, E-Roller, Parkplätze und Mietautos.
Vor allem muss der Lkw-Transit verringert werden. Dies geht nicht von selbst oder indem man den Lobautunnel blockiert, sondern indem man Alternativen schafft und dem Lkw-Verkehr seine volkswirtschaftlichen Kosten auferlegt. Der Lkw-Transit fährt derzeit durch das Wiener Stadtgebiet, insbesondere über die Südosttangente. Damit sind zehntausende Anrainer in Wien negativ betroffen. Dem könnten mehrere Maßnahmen entgegenwirken:
Schaffung von multimodalen Terminals zur Verlagerung von Lkw auf Bahn und Binnenschiff, nicht nur in Österreich, sondern in Kooperation mit den betroffenen Ländern auch in Zentral-, Ost- und Südosteuropa sowie im gesamten Donauraum. Als Model könnte Deutschland dienen, wo der Staat den Ausbau multimodaler Terminals förderte und damit ein wirtschaftlich sinnvolles Netz geschaffen hat. Österreich hat bereits einige gute multimodale Terminals, etwa in Wien, Enns, Salzburg und Graz. Österreich sollte mit gutem Beispiel vorangehen und die Asfinag ihre billige Finanzierung nutzen und sich an Ausbauvorhaben, in Österreich, aber auch in Zentral-, Ost- und Südosteuropa beteiligen. Auch die Mittel aus dem EU- Wiederaufbauprogramm "NextGenerationEU" sowie der Europäischen Investitionsbank und der Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sollten genutzt werden. Der Handel zwischen Asien und Europa könnte damit auch verstärkt über die Adria- statt über die Nordseehäfen erfolgen. Insgesamt käme es durch diese Verlagerung vom Lkw auf Bahn und Binnenschiff zu bedeutenden CO2-Emissionseinsparungen.
Lkw-Verkehr weniger subventionieren und verteuern: Österreich zieht Lkw-Verkehr durch billigen Diesel an. Der billige Diesel in Österreich wirkt wie ein Trichter, der Lkw-Tanktourismus und damit Lkw-Verkehr nach Österreich zieht. Die Rolle Österreichs als Diesel-Steueroase in Europa ist zu beenden. Das Ende des Diesel-Privilegs kommt ebenso verspätet wie eine CO2-Steuer auch auf Treibstoffe wie in Deutschland. Es braucht eine flächendeckende Lkw-Maut in ganz Österreich, um die Lkw an den Straßenkosten zu beteiligen. Die Einnahmen könnten zur Abschaffung des Ökostromzuschlages verwendet werden.
500 Euro Sondermaut für Lkw-Transit durch Wien: Damit würde nur der Transitverkehr belastet. Die Einnahmen wären zweckgebunden und kämen betroffenen Wiener Firmen sowie dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs in Wien und Niederösterreich zugute.
Mautzuschlag von 10 Cent je Kilometer für Schwer-Lkw: Auch diese Einnahmen wären zweckgebunden für den Ausbau multimodaler Terminals, in Österreich, Italien, Zentral-, Ost- und Südosteuropa.
Abschaffung der von der ÖVP initiierten, aber auch von den Grünen mitbeschlossenen Mautbefreiung auf gewissen Autobahnstrecken in Vorarlberg, Tirol und Salzburg: Die Einnahmen wären ebenfalls zweckgebunden für den Ausbau von Zugverbindungen in diesen Regionen, insbesondere auch für Urlauber, damit sie mit der Bahn statt mit dem Pkw kommen.