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Die Schlacht um das Vertrauen

Von Ronald Schönhuber

Politik

BP zahlt 20 Milliarden Dollar in Treuhandfonds ein. | Obama blieb in der Rede zur Lage der Nation vage. | Washington. Der Rahmen war bewusst gewählt. Aus dem Oval Office, dem Amtszimmer des US-Präsidenten, hatten sich schon Barack Obamas Vorgänger in den dunkelsten und schwierigsten Stunden der Nation an die Amerikaner gewandt. George W. Bush sprach seinen Landsleuten nach 9/11 von hier aus Mut zu, Ronald Reagan versuchte nach der Explosion des Space Shuttles "Challenger", die Nation zu trösten.


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Ganz diesem Setting entsprechend bemühte sich Obama am späten Dienstagabend in seiner Rede zur Lage der Nation 18 Minuten lang, vor allem eines klar zu machen: Die Ölpest im Golf von Mexiko steht ganz oben auf der Prioritätenliste seiner Regierung. Obama sprach dabei mit ruhiger, sanfter Stimme. Von dem offen artikulierten Zorn und dem vor Tagen geäußerten Wunsch, "jemanden in den Arsch treten" zu wollen, war nichts mehr zu spüren. Dennoch griff Obama, dem immer wieder vorgeworfen wurde, er habe zu langsam und zu unemotional auf die Ölpest reagiert, auf Vokabeln und Metaphern zurück, die man eher bei der Erläuterung von Kriegsvorbereitungen vermutet hätte. Von einer "Belagerung" und von "Schlachtplänen" war da die Rede und dass sich die Bürger für einen langen Kampf rüsten müssten.

"Wir werden diese Ölpest mit allem, was wir haben, so lange bekämpfen, wie es nötig ist", sagte Obama, der hinter einem schweren hölzernen Schreibtisch saß und von zwei Flaggen eingerahmt wurde. Einmal mehr betonte er, dass der Energiekonzern BP für sein "rücksichtsloses Verhalten" bezahlen werde müssen.

Auf BP scheint das durchaus Eindruck gemacht zu haben. Kaum 12 Stunden nach dem Auftritt des Präsidenten stimmten BP-Chef Tony Hayward und BP-Verwaltungsratschef Carl-Henric Svanberg bei einer Unterredung im Weißen Haus dem von Obama geforderten unabhängigen Treuhandkonto zu. Aus diesem Fonds, in den BP nach Willen namhafter US-Senatoren zunächst 20 Milliarden Dollar einzahlen soll, sollen die Entschädigungen für die von der Ölpest betroffenen Menschen bezahlt werden. Verwalten soll das Geld Kenneth Feinberg, der schon die Kompensationsfonds für die 9/11-Hinterbliebenen abgewickelt hat. Nach dem Treffen verkündete Svanberg zudem, dass BP alle Dividendenzahlungen in diesem Jahr aussetzen werde.

Atempause für Obama

Auf neue konkrete Vorschläge zur Bekämpfung der Ölpest hatten die Amerikaner vor den TV-Schirmen allerdings vergeblich gewartet. Lediglich das Versprechen, dass binnen "Tagen oder Wochen" bis zu 90 Prozent des Öls aufgefangen werde, gab der Präsident seinen Mitbürgern an diesem Abend mit.

Vage blieb Obama auch beim zweiten Hauptthema: einer von sauberen Energieformen geprägten Zukunft, die nicht mehr so stark vom Öl abhängt. Ein Wann oder Wie war da nicht zu hören, nur die Aufforderung, den "Moment zu nutzen". "Die Tragödie, die sich an unserer Küste entfaltet, ist die schmerzhafteste und mächtigste Erinnerung daran, dass es an der Zeit ist, eine saubere Energiezukunft zu schaffen", sagte Obama.

Die Bewertung der Rede fiel entsprechend karg aus. "Obama hat vor allem gesagt, was er bisher getan hat, und nicht, was in Zukunft getan werden muss", urteilt der US-Finanzanalyst Ben Pang. "Das war im Grunde ein Non-Event".

Die Vereinbarung über den Treuhandfonds und Aussetzung der Dividendenzahlungen könnte dem Präsidenten allerdings eine dringend nötige Atempause verschaffen. Die Ölpest im Golf von Mexiko hatte die ehemals zentralen politischen Vorhaben wie die Regulierung der Wall Street, die Bekämpfung des Budgetdefizits und die Senkung der Arbeitslosigkeit immer stärker in den Hintergrund gedrängt. Und knapp vier Monate vor den wichtigen Kongresswahlen im November geben in Umfragen 52 Prozent der Amerikaner an, mit der Reaktion ihres Präsidenten auf die Ölkrise nicht zufrieden zu sein.

Doch die Pause für Obama dürfte kurz ausfallen: US-Wissenschafter haben am Mittwoch ihre Schätzung der maximal ausströmenden Ölmenge erneut stark nach oben korrigiert. Demnach fließen statt den 6300 Tonnen Öl bis zu 9500 Tonnen pro Tag ins Meer.