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Die Schlacht um Schottland

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Zwist um Datum könnte in einen Verfassungskonflikt münden.


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London. Zu einem Showdown zwischen der britischen und der schottischen Regierung hat sich das Ringen um ein Referendum zur schottischen Unabhängigkeit entwickelt. Der britische Premierminister David Cameron wies gestern Schottlands Regierungschef Alex Salmond nachdrücklich auf "die gesetzliche Lage" hin, die es Salmond unmöglich mache, ein Referendum ohne Zustimmung Londons auszuschreiben. Salmond seinerseits warnte Cameron davor, "mit Riesenstiefeln auf Schottland herumzutrampeln": Cameron benehme sich "ganz im Stile Thatchers".

Der Tory-Premier habe "keinerlei Mandat" für eine Einmischung in diese Frage, erklärte der schottische Regierungschef und Vorsitzende der schottischen Nationalisten (SNP). Am Abend zuvor hatte Salmond bekanntgegeben, dass seine Administration das lang erwartete Unabhängigkeits-Referendum für Schottland im Herbst 2014 - und ganz in eigener Regie - abzuhalten plant. Die Zentralregierung in Westminster, also Camerons Kabinett, spricht Edinburgh dagegen das Recht auf die Ausrichtung einer solchen Volksabstimmung rundweg ab. Man werde, heißt es in Westminster, vor den Obersten Gerichtshof ziehen, wenn Salmond seine Pläne einseitig durchzusetzen suche.

Damit droht der Streit ums Schottland-Referendum zu einem regelrechten Verfassungskonflikt zu eskalieren. Im Blick Westministers nämlich ist dem schottischen Parlament bei seiner Einsetzung 1998 keine Befugnis für verfassungsrechtliche Änderungen eingeräumt worden. In Edinburgh dagegen spricht man "der Tory-geführten Regierung in London" jegliche politische Legitimität ab, was die Zukunft Schottlands betrifft. Ein einziger konservativer Abgeordneter vertritt Schottland zurzeit in Westminister. Mit ihrem Sieg bei den schottischen Parlamentswahlen im Mai vorigen Jahres, meint Salmond, habe sich die SNP ein klares Mandat für die Ausrichtung des Referendums verschafft.

Das Referendum über ein Ausscheiden Schottlands aus dem Vereinigten Königreich oder seinen Verbleib in der Union hatte Salmonds SNP in der Tat zu einem zentralen Punkt ihres Wahlprogramms gemacht. Der Zeitpunkt wurde, mit dem Herbst 2014, jetzt erst bestimmt - vor allem wohl im Hinblick auf reichlich Vorlaufzeit, auf die Commonwealth-Spiele in Glasgow in jenem Sommer und auf die 700-Jahr-Feier der großen schottischen Schlacht von Bannockburn, bei der Robert the Bruce die Truppen des englischen Königs Edward II. entscheidend schlug.

Erst vor ein paar Monaten hatte Salmond auch bekanntgegeben, dass seine Landsleute in diesem Referendum nicht nur die Wahl zwischen einem Ja und einem Nein zur staatlichen Unabhänigkeit Schottlands erhalten sollten, sondern auch eine dritte Möglichkeit, die des Verbleibs im Königreich bei praktisch hundertprozentiger Steuer- und Finanzhoheit für Schottland. Umfragen belegen, dass sich für diese Variante rund 70 Prozent aller Schotten erwärmen können. Für volle Souveränität sprechen sich dagegen nur 35 bis 38 Prozent der schottischen Bevölkerung aus. Allerdings scheint dieser Anteil am Steigen zu sein.

Für die Regierung Cameron, aber auch für die Labour-Opposition unter Ed Miliband, ist Salmonds "dritte Variante" eine Finte, mit der die SNP sich ihr Unabhängigkeitsziel "erschleichen" will. Tories, Liberale und Labour lehnen darum eine solche zusätzliche Referendums-Frage ab. Die drei Parteien dringen auch auf ein früheres Datum für die Volksabstimmung. Sie wollen außerdem sicherstellen, dass die britische Wahlkommission das Referendum organisiert und überwacht und dass 16- und 17-Jährige nicht an der Abstimmung teilnehmen dürfen - wie es der schottischen Regierung vorschwebt.