Die Obmann-Suche der ÖVP Wien geht ins Finale. Wer sich bis jetzt noch nicht ans sichere Ufer gerettet hat, für den wird es eng.
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Von weißem Rauch aus den Kaminen der Wiener ÖVP zu sprechen, wäre zwar voreilig - immerhin geht es um die Wiener ÖVP. Aber die Schlinge um den Kopf des neuen Obmanns der Stadtschwarzen zieht sich zusehends enger zusammen. Bekanntlich ist die Partei seit dem überfallsartigen Rücktritt Christine Mareks auf Chefsuche.
Tatsächlich regiert das Prinzip der Negativauslese: Am lautesten haben sich nämlich in den vergangenen Wochen diejenigen zu Wort gemeldet, die unter keinen Umständen in dieses Amt befördert werden wollen, als da wären Interimsobfrau Gabriele Tamandl oder Neo-Klubchef Fritz Aichinger, auch Neo-Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz will - wohl aus karrieretechnischen Gründen - zum jetzigen Zeitpunkt auf keinen Fall. Zumindest offiziell will man von einer Vorentscheidung nichts wissen, man bleibt dabei: Bis Weihnachten soll ein neuer Kopf gefunden werden.
Als Favorit für den neuen Obmann kristallisiert sich deshalb Manfred Juraczka (42) heraus, der im Zuge des Personalrevirements nach dem Marek-Abgang zum nicht amtsführenden Stadtrat aufstieg. Außenseiterchancen werden Othmar Karas (54) eingeräumt, dem Delegationsleiter der ÖVP-Fraktion im EU-Parlament.
Für den in der Öffentlichkeit praktisch unbekannten Juraczka spricht, dass er, wie es ein Insider ausdrückt, "ein gestandener Wiener" und bereits in der Stadtpolitik verankert ist (schon die Eltern gaben in der ÖVP Hernals den Ton an). Vor seinem Karrieresprung in den Stadtsenat arbeitete der Akademiker im Marketing von Alcatel. Gegen Juraczka spricht, dass er, weil selbst weitgehend profillos, der darniederliegenden Wiener ÖVP kaum auf Anhieb den notwendigen neuen Anstrich verpassen kann.
Für Othmar Karas sprechen jene fast 29.000 Vorzugsstimmen, die er bei der EU-Wahl 2009 im ÖVP-internen Kampf gegen Spitzenkandidat Ernst Strasser auf sich vereinen konnte; das entsprach rund 40 Prozent der gesamten ÖVP-Stimmen in der Bundeshauptstadt. Mit dem Europapolitiker hätte die Stadtpartei zweifellos einen profilierten Obmann, der das biedere Image aufbrechen könnte. Dass Karas gebürtiger Niederösterreicher ist, wäre wohl das geringste Problem, gehört er doch seit 1995 dem Wiener Landesparteivorstand an. Gegen ihn spricht sein zeitaufwendiger Hauptjob in Brüssel und Straßburg, wo das EU-Parlament abwechselnd tagt.
Und gut möglich, dass Karas bald noch weniger Zeit hat: Im Zuge des Wechsels vom polnischen Konservativen Jerzy Buzek zum deutschen Sozialdemokraten Martin Schulz an der Spitze des EU-Parlaments Mitte Jänner kommt es auch in der zweiten Reihe zu wesentlichen Rochaden. Karas hat dabei gute Chancen, von der EVP-Fraktion für das Amt des Vize-Präsidenten nominiert zu werden.
Egal, ob nun Juraczka oder Karas das Rennen macht, beide werden wohl kaum den Job nur als Sesselwärmer für Sebastian Kurz machen. Mit seinen erst 25 Jahren hat der Integrationsstaatssekretär allerdings noch genügend Zeit, wenn er sich auf dem glatten Parkett der Innenpolitik zu halten vermag.