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Die Schönheit des Unechten

Von Hermann Schlösser

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Im Ö1-"Pasticcio" war am Freitagvormittag eine überaus bekannte Musik zu hören. Der zweite Satz aus Mozarts "Sonata facile" floss sanft und gesanglich dahin, wie es seine Art ist. Und doch machte sich bald eine kleine Irritation breit. Irgendetwas an dieser Musik "stimmte" nicht. Zwar war sie durchaus schön - aber doch anders, als man sie kennt.

Wie immer, wenn Ungewohntes im Radio gesendet wird, hörte man also auch am Freitagvormittag genauer hin: Der Klaviersatz war kompakter als in Mozarts Version, Stimmen traten hinzu, kommentierten das Original, gewannen ihm neue Klangeffekte ab. Kein Zweifel, man hatte es mit einer Bearbeitung der Mozart'schen Sonate zu tun, und während die Musik ausklang, meldete sich Albert Hosp zu Wort und erklärte, dass Edvard Grieg es gewesen sei, der die Sonaten Mozarts so bearbeitet habe, dass man zwei Klaviere zur Aufführung benötige. Das eine folgt notengetreu dem Mozart'schen Original, das andere bettet es in ungewohnte harmonische und rhythmische Zusammenhänge. Natürlich verstand Grieg sein Arrangement nicht als Verbesserung Mozarts, sondern als Zeichen der Liebe und der Verehrung.

Griegs Fantasien über Mozart'sche Melodien wurden nicht zusammenhanglos gesendet. Die ganze letzte Woche über befasste sich das "Pasticcio" leitmotivisch mit dem Thema "Bearbeitungen und Arrangements". Dabei zeigte sich wieder einmal, dass das Magazin am Vormittag zum Intelligentesten und Anregendsten zählt, was im Radio zum Thema "Musik" zu hören ist.