Winston Churchill hatte recht: Man sollte keine Krise ungenutzt verstreichen lassen.
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Das Paradoxe an Krisen ist, dass sie neben den Schäden, die sie verursachen, immer auch als Turbo für Fortschritt und Innovation wirken. Covid war da keine Ausnahme - denken wir nur an die rasche Bereitstellung von RNA-Messenger-Impfstoffen oder die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden. Was die Wirtschaft betrifft, so hat das uns aufgezwungene Experiment die Kommunikationstechnologie global geboostert. Bemerkenswert war darüber hinaus das hohe Maß an Resilienz und Einfallsreichtum, mit dem viele Unternehmen überlebten. Doch das ist Vergangenheit. Der Krieg in der Ukraine lässt die Herausforderungen, vor die uns die Pandemie stellte, wie eine Generalprobe erscheinen. Wird es uns gelingen, auch diese Krise zu meistern?
"Performance that matters": Den Titel des diesjährigen Global Peter Drucker Forums in Wien legten wir lange vor Ausbruch des Krieges in Europa fest. Unter den derzeitigen Voraussetzungen erscheint die Beschäftigung mit Leistung sogar noch dringlicher. Was wir jetzt benötigen, ist eine Neubewertung der Managementpraxis auf allen Ebenen - in der Politik, im öffentlichen Sektor, in der Privatwirtschaft, in gemeinnützigen Organisationen.
Tatsächlich sind wir kulturell darauf getrimmt, Risiko zu vermeiden - was im Grunde jedoch nichts anderes bedeutet, als das Leben zu vermeiden. Der Versuch, Ungewissheit algorithmisch zu managen, sei nicht nur vergeblich und damit Fake-Management: Es sei eine Angewohnheit, die zu "extremem Kurzfristdenken" führe und das Risiko für falsche Entscheidungen sogar erhöhe. Denken wir nur an die globale Finanzkrise von 2008. Dieses Streben nach Gewissheit und Berechenbarkeit "zerstört unsere Fähigkeit, Neues zu schaffen", sagt der französische Strategie-Professor Phillipe Silberzahn. Ein Management, das Ungewissheit und Risiko als schöpferische Kräfte nutzt, könnte seine Strahlkraft deutlich erhöhen.
Das ist es auch, was Professor Rita McGrath von der Columbia Business School meint, wenn sie von einer neuen Art des agilen Unternehmens spricht, das sich auf Veränderungen als akzeptierte Norm stütze. Es sei wichtig, so McGrath, dass die Führung in ständigem Kontakt mit den Randbereichen des Unternehmens stehe; dass sie bereit sei, Ressourcen schnell und in großem Umfang umzuschichten und Innovation und Flexibilität zu fördern.
Das Management hat den Vorteil, in der Realität verankert zu sein und über jene Sensoren zu verfügen, um die wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten vor Ort zu erspüren. Jeden Tag "die Zukunft zu sehen, die bereits eingetroffen ist", wie der Ökonom Peter Drucker es ausdrückte - darum geht es. Schwache Signale zu orten und Schlussfolgerungen über verschiedene Disziplinen hinweg zu ziehen: Das ist eine zutiefst menschliche Tätigkeit, die von keinem KI-basierten System geleistet werden kann.
Winston Churchill war derjenige, der das Diktum prägte, eine Krise niemals ungenutzt verstreichen zu lassen. Und das gilt auch für die derzeitigen Verwerfungen. Wie Drucker uns stets erinnert hat, müssen wir von der Kriegskunst lernen, die richtigen Schlachten und die richtigen Verbündeten zu wählen, um sie auf der Grundlage gemeinsamer Werte zu schlagen. Der Wert des Managements erschöpft sich tatsächlich nicht in seinem wirtschaftlichen Nutzen: Es wird zu einem moralischen und gesellschaftlichen Unterfangen, das den Weg in die Zukunft ebnet.