Zum Hauptinhalt springen

Die Schulden der Töchter und Söhne

Von Peter Bußjäger

Gastkommentare
Peter Bußjäger ist Direktor des Vorarlberger Landtages sowie des Instituts für Föderalismus.

Die Schuldenbremse ist richtig und wichtig. Allerdings weist sie Schieflagen zu Gunsten des Bundes und zu Lasten von Ländern und Gemeinden auf.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der Nationalrat wird demnächst die umstrittene Änderung der Bundeshymne beschließen und neben den großen Söhnen nun auch ebensolche Töchter verankern. In einem Aufwaschen werden dann auch aus "Bruderchören" "Jubelchöre". Das nenne ich Reformwillen.

Sinnigerweise erfolgte die Einigung auf die neue Bundeshymne kurz nach der Beschlussfassung des Budgets für 2012, das Österreichs Töchter und Söhne mit beachtlichen zusätzlichen Schulden belasten wird. Vielleicht werden sich Historiker eines Tages fragen, was sich Parlamentarier wohl dabei dachten, als sie sich angesichts einer krisenhaften Entwicklung in ganz Europa lieber monatelang über Wortfetzen einer ohnehin ziemlich missglückten Hymne stritten, statt sich mit dem Gedanken zu befassen, dass die Zukunft auch ihrer eigenen Töchter und Söhne auf dem Spiel steht.

Nun aber scheint sich tatsächlich etwas zu bewegen. Die Regierung hat einen Vorschlag für die Verankerung einer Schuldenbremse in der Verfassung vorgelegt. Die Idee ist zwar nicht eigenem Reformwillen zu verdanken, sondern letztlich einer Überprüfung der Bonität Österreichs durch eine der vielgeschmähten Ratingagenturen. Offenbar blieb nicht einmal Zeit für eine ordentliche Begutachtung. Dennoch handelt es sich um ein richtiges und wichtiges Instrument, das, wie könnte es anders sein, allerdings einige Schieflagen zu Gunsten des Bundes und zu Lasten von Ländern und Gemeinden aufweist.

Der Bund dürfte ab dem Jahr 2017 also ein maximales Defizit von 0,35 Prozent des BIP jährlich eingehen. Die Länder und Gemeinden müssten ausgeglichen bilanzieren. Nichts Neues: Schon früher mussten Länder und Gemeinden die Defizite des Bundes teilweise ausgleichen.

Ein besonders starkes Stück ist folgende Regelung: Bei Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen können die Defizitgrenzen von Bund und Ländern durch Beschluss des Nationalrates überschritten werden. Wenn also etwa in Tirol oder Vorarlberg eine Hochwasserkatastrophe das Landesbudget sprengt, müssen diese beim Nationalrat in Wien um Erlaubnis bitten? Das ist unsinnig, die Länder werden sich vom Nationalrat nicht vorschreiben lassen, welche Nothilfen sie ergreifen dürfen. Die finanzielle Verantwortung für eine unbegründete Überschreitung der Defizitgrenzen tragen ohnehin sie.

Nicht einzusehen ist auch, weshalb sparsam wirtschaftende Länder dadurch in die Geiselhaft genommen werden sollen, dass sie für defizitäre Länder und Gemeinden gleichsam mithaften.

Ein letzter Kritikpunkt ist die Verpflichtung der Länder und Gemeinden, das Haushaltsrecht des Bundes zu übernehmen. Dieses ist zwar modern, aber es fehlen die Erfahrungswerte, ob es auch für die kleineren und kleinen Gebietskörperschaften angemessen ist. Vernünftiger wäre es deshalb, Länder und Gemeinden selbst zu überlassen, wie sie ein ausgeglichenes Budget erreichen. Ganz abgesehen davon ist das vom Nationalrat wenige Minuten vor der Bundeshymne beschlossene Budgetdefizit von 3,2 Prozent kein Ruhmesblatt für das neue Haushaltsrecht.