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Die Schuldenbremse

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Europas Politik hat ein neues Lieblingsschlagwort: die Schuldenbremse. Das hört sich gut an, irgendwie solide und stabil. Das Ganze in Verfassungsrang - wunderbar. Es ist wohl positiv, eine schlagartige Lösung der Probleme ist es aber nicht. Deutschland hat die Schuldenbremse 2009 beschlossen, sie wird 2016 wirksam, für die deutschen Bundesländer 2020. Die Schweiz hat ebenfalls eine, seit 2001. 2004 musste sie entschärft werden, und mithilfe der Gewinne der dortigen Nationalbank wurde der Schuldenstand gesenkt und seither stabil gehalten. Derzeit wird sie aber durch den starken Franken gefährdet.

Wir sehen: Auch die Schuldenbremse ist eine dynamische Größe, es sind überall sogenannte Konjunktur- und Krisenfaktoren eingebaut.

Wenn die österreichische Bundesregierung also eine Schuldenbremse beschließt, wird der kurzfristige Effekt null sein. Und sie kann nur als Verfassungsgesetz klappen, um Bundesländer und Gemeinden zu umspannen. Derzeit gibt es allerdings nicht einmal eine vollständige Aufstellung über die Haftungen, für die Bundesländer und Städte geradestehen. Bis zu einer Schuldenbremse, die diesen Namen auch verdient, ist es auch im vergleichsweise gut dastehenden Österreich ein weiter Weg.

Dazu kommen konjunkturelle Sorgen. Italien wird seine Schulden bei den aktuellen Wachstumsprognosen nicht abbauen können, so oft kann das Wort Schuldenbremse gar nicht in die Verfassung geschrieben werden. Die Schuldenbremse ist ein dehnbarer Begriff - und Regierende tendieren dazu, diese Dehnung auszureizen. Eigentlich hätten sich ja alle Euroländer vor mehr als zehn Jahren im Stabilitäts- und Wachstumspakt auf Haushaltsdisziplin verständigt.

Die Idee der deutschen Wirtschaftsexperten, alle Staatsschulden über 60 Prozent der Wirtschaftsleistung (das ist die Obergrenze im genannten Pakt) in einen gemeinschaftlichen Euro-Topf auszulagern und über einen langen Zeitraum abzustottern, hat dagegen Charme.

Das würde die Staaten so aneinanderketten, dass sich der Spaß aufhörte. Der lachhafte Brief über "Sparmaßnahmen", den Silvio Berlusconi zum jüngsten EU-Gipfel mitbrachte, wäre nicht mehr möglich. Doch der Vorschlag würde auch bedeuten, dass die nationalen Parlamente einen schönen Teil ihrer Souveränität abgäben. Was aber immer noch besser wäre, als dies erst bei der drohenden Staatspleite tun zu müssen.