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Die Schuldenkrise des Südens lässt Zweifel am Zinsfahrplan aufkeimen

Von Hermann Sileitsch

Analysen

Wann sollen die Zentralbanken den zinspolitischen Ausnahmezustand beenden? Die Entscheidung war für die Währungshüter vermutlich niemals schwieriger als jetzt, wo der Zusammenhalt der Eurozone nach Ansicht mancher Experten bereits auf dem Spiel steht.


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An historischen Beispielen für Fehleinschätzungen mangelt es nicht: Aus heutiger Sicht zog die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) in den 1930er Jahren die Zügel zu rasch an, kassierte aus übergroßer Sorge vor Inflation das überschüssige Geld der Banken zu früh ein und erstickte damit die wackelige Wirtschaftserholung - mit ein Grund für die große Weltwirtschaftskrise.

Das Gegenteil war nach dem Platzen der Dotcom-Blase 2000/2001 der Fall: Damals wurde der Leitzins zu lange nur in Trippelschritten erhöht, was unter anderem die US-Hypothekenblase befeuert, die uns in die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise bugsiert hat.

Fragiles Wachstum hier, die Sorge vor Inflation und neuen Spekulationsblasen, die die nächste Krise auslösen könnten, da - die Zentralbanker navigieren seit jeher scharf zwischen Skylla und Charybdis. Auch jetzt schwören Europas Zentralbanker Stein und Bein, dass sie ihre Zinsentscheidungen von politischen Zurufen unbeeinflusst und einzig und allein nach kritischer Faktenabwägung treffen.

Das wird aber schwieriger denn je. Das Auseinanderdriften der Eurozone erschwert es den Zentralbankern in Frankfurt zusätzlich, die Zügel zu straffen. Eine Zinserhöhung würde nämlich die Finanzierungslage jener Länder weiter verschlechtern, die so wie Griechenland den Investoren ohnehin schon - bei einem historisch tiefen Zinsniveau - exorbitant hohe Aufschläge auf ihre Staatsanleihen bezahlen müssen.

Solche Probleme werden aber vor allem die südlichen Eurozonen-Mitglieder auf Monate, wenn nicht Jahre, begleiten. Denn nicht nur Griechenlands Sparpläne stoßen auf massiven Widerstand, auch Spanien und Portugal ließen den nötigen Reformeifer bisher vermissen - und werden auf den Finanzmärkten abgestraft. Eine Zinsanhebung könnte so in immer weitere Ferne rücken. Einige Analysten erwarten, dass der Leitzins womöglich für den Rest des Jahres auf 1 Prozent bleibt.

Wo der Rückzug bereits vorsichtig eingeleitet wurde, ist bei der "quantitativen Lockerung": Vereinfacht gesagt wurde Banken ermöglicht, bei der EZB zu extrem günstigen Konditionen unbegrenzt Geld zu leihen - und zwar für deutlich längere Laufzeiten und gegen viel weniger Sicherheiten als bisher. Hier werden die Laufzeiten schrittweise wieder verkürzt und die Banken schrittweise in die Eigenständigkeit entlassen - allerdings unter größter Vorsicht, wie Insider berichten: Als kritischer Zeitpunkt gilt Juni/Juli 2010, wenn die erste große Geldtranche von fast einer halben Billion Euro zurückgezahlt werden muss. Sollte sich herausstellen, dass die Banken einander dann wieder kein Geld oder nur sehr teuer leihen, werde die EZB sofort reagieren, heißt es.

Siehe auch:Helfen nur, bevor es Probleme gibt