Das nächste Krisenstadium ist rascher eingetreten als erwartet: Zuvor waren die Staaten in Sorge, dass die Banken kollabieren - milliardenschwere Rettungspakete wurden geschnürt. Nun müssen die Banken bangen, dass Staaten kollabieren und zigmilliardenschwere Schockwellen durch die Finanzwelt jagen. | Eine Probezeit für Griechenland
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Zwar war klar, dass die hohe finanzielle Belastung der Haushalte durch die Krisenbekämpfung einzelne Staaten in arge Nöte bringen würde. Diese Schuldenkrise hat die Eurozone aber früher eingeholt als erwartet. Der Grund: Griechenland war schon zuvor hochverschuldet und hat mit Tricks und gefälschten Zahlen seine Glaubwürdigkeit so stark ramponiert, dass jetzt den Sparplänen kein Glauben geschenkt wird.
Die Auswirkungen einer Pleite wären fatal: Griechenland steht bei seinen Gläubigern mit weit mehr als 200 Milliarden Euro in der Kreide. Und der Druck wird noch größer, denn die südlichen Euroländer stecken immer noch in der Krise fest: In der Eurozone stagnierte die Wirtschaftsleistung Ende 2009. In Griechenland, Italien und Spanien schrumpfte sie sogar.
Das macht es noch schwieriger, der drückenden Schuldenlast zu entkommen. Nach Einschätzung des britischen "Economist" ist die Schuldensituation Griechenlands derzeit am bedrohlichsten. Das Wirtschaftsmagazin bewertete dafür den Schuldenstand gemessen an der Wirtschaftsleistung, die Konjunkturprognose für die nächsten Jahre sowie die Zinsbelastung auf die Neuverschuldung.
Überraschend sind die weiteren Plätze: An zweiter Stelle findet sich Irland, dessen Schuldenstand zwar gemessen am BIP geringer ist, dessen Defizit und Zinsbelastung bezogen auf das Wachstum aber sogar noch höher liegen. Der Unterschied zu Griechenland: Die Regierung in Dublin hat den Nachweis erbracht, dass sie zu drastischen Sparmaßnahmen bereit ist.
Schon auf Platz drei liegt Großbritannien, das sich aber deutlich mehr Zeit als alle anderen Länder lassen kann, um seine Schulden zu refinanzieren. Japan findet sich auf Platz vier, hat aber traditionell wenig Probleme, seine Schulden über Investoren im Inland zu finanzieren. Die weiteren Wackelkandidaten der Reihe nach: Portugal, Spanien, Frankreich, die USA, Polen und Italien.
Konstruktion des Euro ist keine Dauerlösung
Zwar stehen die EU und die Eurozone in Summe mit ihrer Verschuldung nicht schlechter da als die USA oder Japan, im Gegenteil. Der große Unterschied: Die Eurozone ist angreifbar, weil sich Spekulanten auf die schwächsten Glieder einschießen können.
Die EU-Institutionen sollten sich zwar von den Finanzmärkten nicht zu finanziellen Hilfen für Griechenland erpressen lassen. Somit hat der EU-Gipfel kurzfristig sein Ziel erreicht, etwas Druck von den Märkten genommen und Griechenland sowie den europäischen Gremien mehr Zeit verschafft. Gut ist, dass Athen weiterhin in der Pflicht ist, die Budgetsanierung voranzutreiben.
Auf Dauer werden aber wohlwollende Worte aus Brüssel zur Beruhigung der Märkte nicht ausreichen. Kritisch könnte es schon Mitte April und Mai werden, wenn die Griechen Anleihen im Ausmaß von 8,2 und 8,5 Milliarden Euro zurückzahlen müssen. Und gar nicht auszudenken, was passieren würde, sollte sich herausstellen, dass auch eines der Schwergewichte wie Italien oder Spanien seine Zahlen geschönt hat.
Die EU muss deshalb auf Dauer Antworten finden, warum sie von den Märkten als einheitlicher Wirtschaftsraum bewertet werden soll. Dafür muss dreierlei gewährleistet sein: Die EU muss beweisen, dass sie die Finanzlage eines Landes überprüfen kann, ohne sich dabei an der Nase herumführen zu lassen. Sie muss überzeugende Sanktionen für Schuldensünder parat haben. Und sie braucht Solidaritäts-Automatismen - entweder Gemeinschaftsanleihen oder Hilfen für Problemkandidaten, die diesen aber keinen Freibrief ausstellen. So kam in Brüssel die Idee eines europäischen Pendants zum Währungsfonds (IWF) zur Sprache: "Eigentlich hätten wir einen European Monetary Fund bereits vor Jahren etablieren sollen", lautete die Einschätzung eines Teilnehmers. Jetzt ist es dafür zu spät.
Kontrolle, Sanktionen, Solidarität: diese Faktoren müssen für ein Funktionieren der Eurozone eng abgestimmt sein. Derzeit ist keine der Voraussetzungen ausreichend erfüllt.