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Deutsche Studie: Ein anderes Schulsystem rentiert sich ökonomisch. | Verpflichtender Gratis-Kindergarten fördert vor allem die Schwächeren. | Wien. Die Ergebnisse der Pisa-Tests aus dem Jahr 2000 und 2003 - das Resultat von 2006 wird erst im Dezember präsentiert - löste in Österreich eine Welle bildungspolitischer Diskussionen aus, die sehr rasch wieder verebbte. Österreich landete bei den Ergebnissen wie Deutschland im Mittelfeld. Dass die Politik nicht auf die Pisa-Resultate reagiert, kritisierten am Mittwochabend die Studienautoren Robert Stölner von der Uni Erlangen-Nürnberg und Karl Heinz Hausner, Professor von der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Mannheim, bei einer Veranstaltung am Wiener Institut für Familienforschung.
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"Was ist passiert nach Pisa?" Österreich habe sich zurückgelehnt. Man könne aber etwas tun, wenn der politische Wille dazu da ist, sagte Stölner. "Wenn man in untere Schichten mehr investiert, bekommt man diese im Hinblick auf Pisa um ein Schuljahr weiter." Der soziokulturelle und sozioökonomische Status der Eltern habe einen entscheidenden Einfluss auf den Bildungsweg der Kinder.
Die beiden Wissenschafter stellen in ihrer Studie, die im Auftrag des Instituts der deutschen Wirtschaft erfolgte, zwei Modelle einander gegenüber und berechneten deren Rendite im Jahr 2050 - ausgehend vom Ansatz: Je höher das Bildungsniveau, um so höher das Wirtschaftswachstum. Die Studie wurde für Deutschland erstellt, die Ausgangslage in Österreich ist aber ähnlich.
Das erste Modell sieht lediglich eine Verbesserung des Vorschulsystems vor. Derzeit besucht in Deutschland nur ein Fünftel der Kinder ein Jahr oder kürzer den Kindergarten. Gerade die ärmeren sozialen Schichten lassen ihre Kinder zuhause, weil sie sich einen Betreuungsplatz nicht leisten können. Die Lösung lautet: Kindergartenplätze werden ausgebaut, jedes Kind ab vier Jahren hat einen Rechtsanspruch auf einen solchen Betreuungsplatz, die privaten Finanzierungsbeiträge übernimmt der Staat.
Als Resultat erwarten die Autoren: Der Anteil der Schüler, die keinen Pflichtschulabschluss haben, verringert sich von 16 auf 14 Prozent. 3,3 Milliarden Euro müssten dafür in die Hand genommen werden, dafür läge die Rendite bei drei Prozent.
Das zweite Modell sieht einen Systemwechsel vor, der mehr bringen soll als das erste Modell: Es beinhaltet eine Verpflichtung zum Gratis-Kindergartenbesuch, ebenfalls die Übernahme der privaten Beiträge durch den Staat, eine höhere Qualifizierung der Erzieher, die Einführung von ganztägiger Betreuung an Schulen, eine stärkere Autonomie bei der Lehrerauswahl und die Einführung von Bildungsstandards. Resultat: Der Anteil der Personen ohne Abschluss sinkt von 16 auf zehn Prozent, der Anteil der Personen mit höheren Abschlüssen steigt bis 2050 von 31 auf 38. Die Kosten für den Staat würden 6,1 Milliarden Euro pro Jahr betragen, dafür aber langfristig eine Rendite von acht Prozent bringen.
ÖVP-Mandatarin Brinek offen für neue Wege
ÖVP-Abgeordnete Gertrude Brinek kann dem zweiten Modell sehr viel abgewinnen. "Wir dürfen uns mit dem Mittelmaß nicht zufrieden geben", sagte sie zur "Wiener Zeitung". Die Pädagogin tritt für einen gebührenfreien Kindergarten ab drei oder vier Jahren ein. Aber auch für die Unter-Drei-Jährigen sollte es eine qualitätsvolle Betreuung geben. In einem zweiten Schritt sollte der Kindergarten verpflichtend werden. "Es dreht sich alles um die Frage, wie können wir den entscheidenden sozioökonomischen Faktor abbauen", so Brinek. Grundziel sei es: "No-child-left-behind". Auch eine ganztägige pädagogische Betreuung in den Schulen sei dafür Voraussetzung.