Wien. Derzeit gibt es in Österreich keine Schule, die für ganztägigen Unterricht mit moderner Pädagogik geeignet ist, sind sich Experten der für mehr Qualität im Bildungsbau eintretenden Plattform "SchulUMbau" im Gespräch mit der APA einig.
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Die Gebäude seien "schön oder energiesparend, aber in keiner Weise innovativ konzipiert", kritisiert Architekt Christian Kühn von der Technischen Universität Wien. Die meisten Ganztagsschulen müssen in Schulen realisiert werden, die für den Halbtagsbetrieb gebaut wurden. Architektonisch erfordert das aus Kühns Sicht radikale Schritte: "Ganztagsschule geht nicht, ohne Wände niederzureißen."
Im Idealfall sind Ganztagsschulen "Arbeits- und Lernlandschaften" mit Bewegungsarealen und Rückzugsorten, sagt Franz Hammerer von der Katholischen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien. Folge für die Raumaufteilung: Einzelne Klassen sollten mit anderen Klassen und Gruppenräumen verbunden und durch Teilverglasungen "geöffnet" werden.
Die Architektur müsse einen fließenden Übergang von Freizeit zu Arbeit ermöglichen, betont Karin Schwarz-Viechtbauer vom Institut für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS). Im Klassenraum selbst sollten Erholungsnischen eingeplant werden und auf den Gängen oder in Vorhallen "Lerninseln" eingerichtet sein, die das Arbeiten allein oder in Kleingruppen ermöglichen. "Die Bereiche müssen gut verbunden sein, im Sinne einer 'Wohnraumklasse'", so Schwarz-Viechtbauer.
Ein zentrales Element in einer modernen Ganztagsschule sind Freiräume wie Schulgärten oder -höfe: Sie dienen als Orte der Erholung, der Bewegung, des sozialen Lernens und als Outdoor-Atelier, so Schwarz-Viechtbauer, die dafür plädiert, bei Sanierungen speziell diesen Freiräumen besonderes Augenmerk zu schenken.
Vor allem für jüngere Kinder brauche es zusätzlich auch im Gebäude kleine Bewegungsräume zum Austoben in kurzfristigen Pausen, fordert Kühn. Für Kinder ab zwölf Jahren, wenn der Umgang zwischen den Geschlechtern komplizierter wird, seien zusätzlich Rückzugszonen für die Mädchen nötig. Wichtig seien außerdem gut ausgestattete Arbeitsplätze für Lehrer und Räume, die für Elterngespräche genutzt werden können.
Schwarz-Viechtbauer sieht derzeit gute Voraussetzungen für eine Annäherung an dieses Ideal: Beim Schulbau herrsche dank der Initiativen von Stadt Wien und Bund für mehr Ganztagsschulen "Aufbruchsstimmung", jetzt sei es wichtig, dass auch in den anderen Ländern das Bewusstsein wachse. "Es muss uns allerdings klar sein, dass die Bau-Umsetzung der Aufbruchsstimmung hinterher hinkt", betont die ÖISS-Direktorin.
Der Status quo sieht laut Kühn ganz anders aus: Schlechte Raumproportionen, Akustik und Atmosphäre - unter solchen Bedingungen sei "keine geglückte Pädagogik möglich", beklagt er. Bei der Adaptierung bestehender Schulen fordert er einen Paradigmenwechsel: Sanierungen würden sich derzeit vor allem auf Senkung des Energiebedarfs und Behindertengerechtigkeit konzentrieren. "Hier wird ein Zustand für die nächsten 15 bis 20 Jahre einzementiert, den wir nicht mehr wollen." Das Unterrichtsministerium solle daher rasch evaluieren, ob das Geld für Sanierungen derzeit sinnvoll eingesetzt wird.
Neben Geldmangel erschweren auch Brandschutzvorschriften und rigorose Beschränkungen durch die Widmungs- und Bebauungspläne Schulum- und -ausbauten, so die Experten. Eine gute Möglichkeit, um Schulen günstig wirklich gut zu adaptieren, wäre laut Kühn die Zusammenlegung von Schulstandorten. Gerade am Land gebe es vermehrt Schulen, die nur noch halb so viele Schüler wie noch vor einigen Jahren hätten.
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