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Die Schwäche der Polizei, ein Skandal

Von Ilan Fellmann

Analysen
Der Autor lebt als Verwaltungsexperte und Publizist in Wien.

Die Situation der Exekutive in Wien und Umgebung ist mehr als mangelhaft - weil offenbar das zur Genüge vorhandene Geld nicht sinnvoll eingesetzt wird.


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Alle Bürger und Einwohner Wiens, ausgenommen die Unterwelt, wollen eines: innere Sicherheit! Die erhält man durch eine gute soziale Situation, eine akzeptable Beschäftigungs-, Schul- und Ausbildungslage, Sozialleistungen, aber auch: durch sichtbare Polizeipräsenz auf den Straßen!

Wie ist´s in der Realität? Noch immer viel zu wenig sieht man Polizei zu Fuß auf der Straße, außer in der Nähe von Wachzimmern. Man beobachtet zwar vermehrt Streifenwagen, aber wenn man einen braucht, dauert es - sogar an einem Sonntag im 2. Bezirk, nach einer Rauferei vor einer Kirche - bei Schönwetter zehn Minuten, bis eine Funkstreife erscheint. Zeit genug, um umgebracht zu werden. "Wir haben zu wenig Personal" seufzt der Bezirksinspektor der Polizei.

Wollen Sie eine Anzeige machen, begegnen Sie mangelhaft im Zweifingersystem Maschine schreibenden und sichtlich überforderten Beamten. Dazu uraltes Computer-Equipment und häufige Ausfälle, wie man hört. Wie kann das sein? Die Personalvertreter der Polizei schreien in Wien nach mehr Personal. Mit Recht, scheint mir. Denn die Sicherheitslage ist nicht so super, wie die offiziellen Statistiken uns weis machen wollen . . .

Dazu kommt nicht optimaler Polizeieinsatz: Polizisten als Posten vor Botschaften, Kohorten bei Fußballspielen, unzählige Schreibtischbeamte, aber zu wenig Verkehrskontrollen, zu wenige Zivilstreifen zu Fuß und motorisiert, keine berittene Polizei im Prater und auf der Donauinsel, und vor allem: zu wenige Einsatzkräfte in U-Bahnen und U-Bahn-Stationen.

Dazu kommen ein offenbar nicht optimales Managementsystem, politischer Parteieneinfluss vom Generaldirektor abwärts, Führungsanmaßung durch Kabinettsmitarbeiter, wie im U-Ausschuss zum Innenministerium deutlich wurde. Auch eine Aussage von Polizeigewerkschafter Josef Sbrizzai spricht Bände: "50 Prozent der österreichischen Tätigkeiten für die Polizei fallen in Wien an, während hiefür nur 20 Prozent des österreichischen Gesamtpersonals zur Verfügung stehen".

Dabei wäre genug Geld vorhanden. Nur wird es nicht immer richtig eingesetzt. Ein Beispiel? Für den wahnwitzigen Bundesheereinsatz im Tschad haben wir angeblich 32 Millionen Euro (bis Ende 2008, teilweise aus dem Entwicklungshilfeetat), für die Planstellenbesetzung der Wiener Polizei hingegen fehlt das Geld. Für mich ist das ein klarer Fall mangelnder Prioritätensetzung. Man sollte, über die Ressortgrenzen hinaus, klare Prioritäten für die Ausgaben öffentlicher Mittel setzen; innere Sicherheit ist eine "Einser"-Priorität.

Zur Lösung der Polizeimisere sind ganz einfach erforderlich:

* mehr Budgetmittel für Personal inklusive Aus- und Fortbildung;

* Dienstpläne mit mehr Außenwirkung;

* eine optimierte psychosoziale Betreuung der Polizisten;

* eine permanente Kontrolle der Sicherheitsaktivitäten durch den Innenausschuss des Parlaments;

* vermehrte Kontrollen durch den Rechnungshof;

* die Schaffung eines "Ombudsmannes der Polizei", der für alle Bürgeranliegen und Beschwerden ein offenes Ohr hat;

* Umsetzungskompetenz beim Innenminister.

Dann wird der vermehrten Kriminalität (durch offene Grenzen) einschließlich den Beutezügen ausländischer Banden in Wien und Umgebung, dem organisierten Diebstahl in Verkehrsmitteln, den Wohnungseinbrüchen, dem Drogenhandel und der Versklavung von jungen Prostituierten aus dem Osten auch tatsächlich Einhalt geboten werden können.

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