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Grundsätzlich wird der Schwarze Kontinent außer von den afrikanischen (Natur-)Religionen von zwei großen religiösen Gemeinschaften dominiert: Das Christentum und der Islam. Die Präsenz dieser Religionen ist in der traurigen Geschichte der Sklaverei und des Kolonialismus begründet. In dreizehn der 54 afrikanischen Länder (Äthiopien, Ghana, Kap Verde, Libyen, Malawi, Mali, Marokko, Mosambik, Sao Tome, Simbabwe, Südafrika, Tunesien und Uganda) gibt es jüdische Minderheiten. Während die Falashas in Äthiopien und die Lembas aus dem südlichen Afrika seit mehr als 2000 Jahren Juden sind (sie gehören zu den so genannten zehn verlorenen Stämmen), konvertierten die Abuyadaya in Uganda erst im 19. Jahrhundert zum Judentum. Einzig die Falashas werden von Israel anerkannt.
Die Falashas
In Israel leben heute etwa 80.000 Falashas. In den Operationen Moses (1984) und Salomon (1991) wurden die meisten von ihnen nach Israel gebracht. Sie bezeichnen sich selbst als "Bet Israel", praktizieren die Reinheitsgebote und heiligen den Sabbat. Erst 1975 wurden die Falashas von den Rabbinern in Israel offiziell als Juden anerkannt. Dabei gab es bereits während des Mittelalters bis 1616 ein jüdisches Königreich in Nordwest-Äthiopien. Ihre Sprache, das Quara, gehört zu den Kuchistischen Hamiten-Sprachen. Ihre Bibel ist ebenfalls nicht in hebräischer Sprache verfasst, sondern in ihrer hamitischen Sprache. Als die äthiopische Regierung ab den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts den Juden gegenüber eine zunehmend feindliche Position einnahm, reagierte Israel schließlich als Schutzmacht und flog auf zwei Schübe 35.000 Falashas aus.
Schwierige Integration
In Israel sitzt die Gemeinschaft der Falashas etwas zwischen den Stühlen. Viele von ihnen wurden im Westjordanland angesiedelt, wo Auseinandersetzungen mit bewaffneten Palästinensern an der Tagesordnung sind. Diese bezeichnen die Operationen Moses und Salomon als Kolonialisierungsaktionen ihre Bodens. Aber die Falashas beklagen auch die Diskriminierung durch Israelis und ihre hohe Arbeitslosigkeit. Zusätzlich wird die jüdische Authentizität der äthiopischen Einwanderer von manchen religiösen Würdenträgern Israels immer wieder in Frage gestellt.
Das trifft die Falashas besonders, wurden sie doch bereits im 16. Jahrhundert vom ägyptischen Rabbi ben Solomon ibn Avi Zimra (Radbaz) offiziell als Juden anerkannt. Die internationale Bestätigung von Rabbinern aus 45 Ländern erfolgte jedoch erst sehr spät im Jahre 1908. Diese Anerkennung ist den Professoren Jacques Faitlovitch und Joseph Alevy zu verdanken, die zuvor jahrelang über die Falashas geforscht hatten.
Die Abuyadaya
Im Gegenteil zu den Falashas sind die Abuyadaya (Kinder von Judah) zum Judentum konvertiert. Die gut 500 ugandischen Juden wohnen in Nabugoya, einem Dorf im zentralen Mbale-Bundesstaat. "Shabbat Shalom" ist die Begrüßung hier auf der Straße. Der Gründer des ugandischen Judentums ist Semei Kakungulu. Als profunder Kenner der Bibel tritt der mit den britischen Kolonialherren unzufriedene Stammeshäuptling Anfang des 20. Jahrhunderts aus der protestantischen Kirche aus. 1919, nach einer intensiven Meditationsperiode, entschied er sich für das Judentum. In seinem 1922 veröffentlichten Buch Ebigambo ebiva mukitabo ekitukuvu (Zitate aus dem Heiligen Buch) zeigt er auf 90 Seiten seinen Weg vom Christentum zum Judentum auf. Dieses Buch gilt bis heute als das Lehrbuch in der judaistischen Gemeinschaft in Uganda. Kakungulu starb am 24. November 1928.
Juden als Opfer von Idi Amin
Zählten die Abuyadya im Jahre 1961 gut 3.000 Menschen mit mehr als 30 Synagogen in ganz Uganda, so kam ihr Niedergang mit dem Diktator Idi Amin, der ihnen ihren Glauben aberkannte. Er zerstörte systematisch alle Synagogen und ließ die Lehrbücher verbrennen. Nach seinem Sturz im Jahre 1979 kehrte die Freiheit der Religionsausübung auch für die Abuyadaya zurück. Bis heute werden sie allerdings nicht von Israel als Juden anerkannt. Rabbi Gershom Sizomu, das geistliche Oberhaupt der Abuyadaya-Gemeinschaft, stört das nicht weiter. Er kann ohne Israel seinen Glauben weiter praktizieren, weil er als Jude geboren wurde, sagt er. Dennoch würde er sich im Falle einer neuerlichen Diktatur in Uganda den Schutz Israels für seine Gemeinde wünschen. Unterstützt werden die Abuyadaya von mehreren US-amerikanischen Juden.
Die Lembas
Die mehr als 50.000 Lembas sind über Südafrika, Malawi, Simbabwe und Mosambik verstreut. Vor 2.500 Jahren verließ eine Gruppe Judäa in Richtung Jemen - auf der Suche nach neuen Handelsbeziehungen, wie historische Quellen berichten. Im Jemen bauten sie die Stadt Senna 1 (heute Hadramawt). Sie setzen ihre Wanderung fort und spalteten sich schließlich in Äthiopien in zwei Gruppen. Eine der beiden zog weiter bis an die Ostküste Afrikas, in das heutige Tansania und Kenia und errichtete Senna 2. Doch die Wanderung war noch nicht zu Ende: Heute ist eine in Malawi ansässige Gruppe unter dem Namen Ba Mwenye (Fürsten des Landes) bekannt. Ein Senna 3 ist im heutigen Mozambique zu finden.
Suche nach den Wurzeln
Auf der Spur nach den Wurzeln der Schwarzen Juden und zum Nachweis ihrer Zugehörigkeit zur jüdischen Gemeinschaft wurden in den letzten zehn Jahren in mehreren Forschungsinstituten in den USA und Großbritannien DNA-Tests durchgeführt. Die Suche galt dem Cohen-Gen (Priester-Gen). So sollen fast alle Cohen (jüdische Priester), nach traditioneller Auffassung von Aaron, dem Bruder des biblischen Moses abstammen. Untersuchungen bestätigen tatsächlich ein identisches Y-Chromosom der Cohen, das auf einen gemeinsamen männlichen Vorfahren hindeutet, der vor etwa 3000 Jahren gelebt hat.
David B. Goldstein, Genforscher an der Oxford University, stellte die Präsenz des besagten Chromosoms besonders unter Lemba-Männern fest, die dem Buba-Stamm, der ältesten der 12 Stammgruppen angehören. Trotzdem will der Staat Israel derzeit nur die Falashas anerkennen - und manche wittern in den Forschungen eine Strategie der Afrikaner für Aufnahme im "Gelobten Land".