Als gewichtiger Wirtschaftsfaktor im Land nimmt Raiffeisen auch Einfluss auf Politik und Medien.
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Wien. Seit Tagen steht Raiffeisen im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Der Grund: Die genossenschaftliche Organisation hat ein nicht unbeträchtliches Problem. Ohne Gegensteuern droht ihr Flaggschiff, die Raiffeisen Bank International (RBI), Schlagseite zu bekommen. Die Russland-Sanktionen, tiefrote Zahlen in Ungarn sowie das Franken-Dilemma in Polen setzen dem Institut schwer zu.
Die Organisation mit dem Giebelkreuz-Logo sieht sich nun gezwungen, von ihrer einst mit großem Einsatz betriebenen Osteuropa-Expansion einiges rückgängig zu machen. Eine Schrumpfkur ist angesagt. Mit dem Abbau von Assets, der gleichzeitig gebundenes Geld freischaufelt, soll verhindert werden, dass sich bei der RBI Kapitallöcher auftun, die zu weiteren Verwerfungen im Raiffeisen-Imperium führen könnten.
Dieses vielschichtige Imperium ist ein Konglomerat aus 1600 Genossenschaften, rund 600 in- und ausländischen Banken, 86 Lagerhäusern, nahezu 100 Molkereien und dutzenden Käsereien. Dazu kommen noch zirka 700 andere Unternehmen sowie substanzielle Beteiligungen (zum Beispiel Agrana, Strabag, Uniqa, Casinos Austria und Voestalpine). Hierzulande ist Raiffeisen jedenfalls nicht irgendein Name, sondern eine gewichtige Wirtschaftsmacht. Allein in Österreich beschäftigt der grüne Riese rund 58.500 Menschen.
Bäuerliche Wurzeln
Wegen ihrer wirtschaftlichen Größe und Dominanz zieht die 1890 gegründete Raiffeisen-Organisation auch die Fäden in Politik und Medien. Manche behaupten sogar, Raiffeisen regiere das Land. Politisch ist die Organisation eng mit dem ÖVP-Bauernbund verbandelt (aufgrund ihrer bäuerlichen Wurzeln).
Chef des Raiffeisen-Verbandes ist derzeit Walter Rothensteiner. Er ist auch Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Zentralbank (RZB), deren wichtigste Beteiligung die RBI ist. Kräftig expandiert - vor allem im Bankenbereich - hat die Raiffeisen-Organisation insbesondere unter Christian Konrad, Rothensteiners Vorgänger als oberster Raiffeisen-Chef.
Der Raiffeisen-Bankensektor ist dreistufig und dezentral aufgebaut (siehe Grafik). Neben der RZB, an der die Raiffeisen Bank International hängt, gibt es acht Raiffeisenlandesbanken, denen die RZB gehört, und rund 490 Raiffeisenbanken, die in ihrem jeweiligen Bundesland Eigentümer der dortigen Landesbanken sind. Zu Raiffeisens Bankensektor zählen daneben noch 19 Spezialinstitute.
Laut der Homepage des Raiffeisen-Verbandes ist die Raiffeisen-Bankengruppe mit einem Marktanteil von rund 30 Prozent - gemessen am Geschäftsvolumen - die größte Bankengruppe in Österreich. Ende 2013 lag die konsolidierte Bilanzsumme bei 282 Milliarden Euro.
Um größtmöglich präsent zu sein, hat Raiffeisen Österreich mit einem dichten Filialnetz überzogen. Aktuell hat die Bankengruppe insgesamt 1646 Geschäftsstellen im Inland. Als Kunde kommt man an Raiffeisen daher fast nicht vorbei. Nahezu jeder zweite Österreicher ist demnach Kunde einer Raiffeisenbank. Schwerpunkte in der Finanzierung sind neben Unselbständigen unter anderen Handel und Gewerbe, Industrie, Landwirtschaft, Tourismus sowie freie Berufe.
3000 Filialen in Osteuropa
Die RBI gilt als drittgrößte Bank Österreichs. Sie ist im Privat- und Firmenkundengeschäft und auch im Investmentbanking tätig. Derzeit ist sie in 17 Ländern Osteuropas aktiv, betrieben werden mehr als 3000 Filialen.
Was den Agrarbereich Raiffeisens betrifft (13.000 Mitarbeiter), so ist dieser mit seinen Lagerhäusern vor allem für die Übernahme und Verwertung von Getreideernten und anderer Feldfrüchte zuständig. Im Molkereisektor nimmt Raiffeisen den Bauern 95 Prozent ihrer Milchlieferungen ab.