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Die Schwierigkeit neuer Sanktionen

Politik

Die EU hat bisher in sechs Schritten Maßnahmen gegen Russland verabschiedet. Ob beim Gipfel ein siebtes Paket auf den Weg gebracht wird, ist aber fraglich.


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Zu Beginn konnte es nicht schnell genug gehen: Bereits einen Tag vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, am 23. Februar, verhängte die EU erste Sanktionen gegen den Aggressor. Einen Tag nach Kriegsbeginn folgte das zweite Sanktionspaket. Nummer drei und vier erfolgten im März. Im April einigten sich die 27 Staats- und Regierungschefs der Union nur noch auf ein Paket. Erst fast zwei Monate später beschloss die EU den bisher letzten Maßnahmenkatalog.

Zähe Verhandlungen gingen der Einigung vom 3. Juni voraus. Probleme machte vor allem, wie weit das Einfuhrverbot für Rohöl und Erdölerzeugnisse aus Russland reichen soll. Ungarns Premier Viktor Orban bekam letztlich, was er wollte, das Verbot betrifft nicht Rohöl, das über Pipelines geliefert wird - wovon auch Tschechien und die Slowakei profitieren. Aber diese Ausnahmen umfassen nur zehn Prozent der russischen Ölexporte in die EU. Dass für die verbleibenden 90 Prozent eine Übergangsfrist bis Jahresende gilt, freute die Machthabenden in Moskau. Anderseits musste Präsident Wladimir Putin zur Kenntnis nehmen, dass die EU-Länder trotz aller unterschiedlichen Voraussetzungen wieder einmal Konsens erzielen konnten.

Ein siebtes Sanktionspaket werde so schnell wie möglich benötigt, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor Beginn des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag. Dies habe er auch in Gesprächen mit mehreren Regierungschefs aus der Union diese Woche deponiert: "Russland muss den wachsenden Druck zum Krieg und zu seiner aggressiven antieuropäischen Politik spüren."

Offene Türen rennt Selenskyj damit im Norden und Osten der EU ein. Polen, Schweden und die baltischen Staaten wollen, dass die EU-Kommission mit der Ausarbeitung eines siebten Pakets beauftragt wird. "Das sechste Sanktionspaket hat Russland hart getroffen, aber wir haben es nicht geschafft, Putin und seine Kriegsmaschinerie ausreichend zu schwächen", sagte der stellvertretende polnische Außenminister Marcin Przydacz. Den Gegenpol bilden Deutschland und die Niederlande; sie befürworten, dass erst bestehende Sanktionen lückenlos umgesetzt und Schlupflöcher geschlossen werden. "Wir werden weitermachen mit Sanktionen", heißt es auch in einem Entwurf für die Abschlusserklärung des Unionsgipfels, der bereits in Brüssel zirkuliert. Es ist ein klassischer Kompromiss: Zwar werden weitere Sanktionen in Aussicht gestellt, von einem Paket ist aber nicht die Rede.

Bei einem solchen denkt Polen an noch weiter verschärfte Exportregeln für Dual-Use-Güter, also Produkte, die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können. Der Regierung in Warschau schweben auch zusätzliche Maßnahmen gegen den Bankensektor und russische Propaganda- und Desinformationskanäle vor.

Doch selbst Polen rückte von seiner Forderung eines Gasembargos ab. Es wäre momentan nicht durchzusetzen, ist doch Einstimmigkeit unter den 27 EU-Ländern erforderlich. Mehrere Staaten würden ihr Veto einlegen, darunter auch Österreich. Das Gasembargo sei kein Thema beim nächsten Sanktionspaket, richtete Bundeskanzler Karl Nehammer bereits Anfang Juni aus. Daran ändert auch nicht, dass Russland in der Zwischenzeit Gasexporte in mehrere Länder eingestellt hat, etwa die Niederlande und Bulgarien. Zuletzt wurde die Liefermenge in EU-Staaten gedrosselt, unter ihnen Österreich. Die dabei ins Treffen geführten technischen Probleme werden stark angezweifelt.

Kaliningrad-Konsequenzen für Litauen

Aber auch ohne Gasembargo besitzt die EU noch Hebel im Energiebereich. Wie bereits mehrfach vorgeschlagen, könnte die Union einen Einfuhrzoll auf russisches Erdöl einheben. Auch sind es Tanker unter der Flagge von EU-Ländern, die russisches Öl nach Asien exportieren - insbesondere aus Griechenland, aber auch Zypern und Malta. Eine Änderung würde zwar Konzessionen oder gar Kompensationen erfordern. Aber Kompromisse gehören zum Kern der EU.

Derweil droht Russland mit "praktischen" Maßnahmen, nachdem Litauen den Bahntransit von Gütern verboten hat, die auf westlichen Sanktionslisten stehen und von Russland über den EU-Staat in die russische Exklave Kaliningrad transportiert werden. Litauens Präsident Gitanas Nauseda rechnet mit einem Ausschluss aus dem gemeinsamen Stromnetz mit Russland. (da)