Alte Musik boomt. Und das seit vielen Jahren. Das Konzerthaus-Festival Resonanzen ist stets lange vor Beginn ausverkauft, auf dem CD-Markt ist Alte Musik längst eine fixe Größe. Und im Musikgeschäft reüssieren hinter den Pionieren der historischen Aufführungspraxis längst Nachahmer und Trittbrettfahrer. Der Markt scheint groß genug.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wer sich musikalisch ins 17. Jahrhundert zurückzieht, verschließt die Augen vor der Gegenwart, analysierte ein Musikwissenschafter die Situation einmal. Tragen also alle Liebhaber der Alten Musik Scheuklappen? Sicher nicht. Mit einer sich verändernden Gesellschaft - und damit mit anderen Aufgaben von Kunst in ihr - hat die Vorliebe trotzdem zu tun. Die Musik des Barock - und um die geht es meist - ist eine höchst dekorative. Sie schmückt sich jedoch nicht nur mit reichen Ornamenten, sie hat auch einen starken emotionalen Gehalt. Die verhandelte Emotion ist jedoch gerade in den vielen antiken Opernstoffen sehr archetypisch: Hass, Sehnsucht, Liebe, Todesqualen - Emotion quasi sortenrein. Eine in sich geschlossene, klar geregelte Welt, in der Gut und Böse ihren Platz haben. Kein primär gesellschaftskritischer Anspruch von Kunst, keine Rede von aufrütteln oder provozieren.
Sich ganz vor der Gegenwart zu verkriechen ist problematisch. Einen kleinen Ausflug nach Atlantis zu unternehmen mitunter tröstlich.