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Experten haben 60 Personen getestet. | Probanden fuhren 2 Stunden im Kreis. | Im Vorjahr starben 92 Nachtfahrer. | Teesdorf. Es ist zwei Uhr Früh. Das Thermometer am hell erleuchteten Haupthaus des ÖAMTC-Fahrtechnikzentrums in Teesdorf bei Baden zeigt drei Grad unter Null. Auf der Teststrecke ist es noch ruhig. Gut gelaunt setzt sich Proband Gottfried Binder in den vom Automobilklub zu Testzwecken umgerüsteten Peugeot. Er weiß bereits, worum es bei dieser Studie, die von ÖAMTC, Asfinag und dem Wiener Institut für Schlaf- und Wachforschung organisiert wurde, geht: die Gefahr des Sekundenschlafs bei spätabendlichen Autofahrten.
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"Wir haben versucht, diese Studie unter realen Fahrbedingungen und nicht etwa an Simulatoren auszurichten", erklärt der Schlafforscher und wissenschaftliche Leiter, Gerhard Klösch, gegenüber der "Wiener Zeitung" stolz. Mit diesem Test werde erstmals das Phänomen des "Sekundenschlafs" wissenschaftlich untersucht und auf Basis von Datenmaterial bewertet. Als Testpersonen fungierten insgesamt 60 Freiwillige im Alter von 30 bis 55 Jahren, Schichtarbeiter ausgeschlossen. Die Frage, warum nicht Führerscheinneulinge oder betagte Lenker zum Zug gekommen sind, beantwortet Verkehrspsychologin Marion Seidenberger so: "Wir wollten einmal prüfen, wie es einem durchschnittlichen Autofahrer während einer Ausfahrt zwischen 2 und 4 Uhr Früh geht und haben Randgruppen nicht berücksichtigt."
Elektroden messen mit
Sämtliche Voraussetzungen der Testleiter erfüllt hat der 47-jährige Banker Gottfried Binder. "Ich bin direkt in meiner Firma angeworben worden", erzählt er und legt den Sicherheitsgurt um den Oberkörper. Er tut dies mit Bedacht, um nicht die Leitungen und das tragbare Bordgerät zur Messung der Hirnströme und der Muskelanspannung zu beschädigen. Auf das mit mehreren Elektroden beklebte Gesicht des Probanden ist eine Kamera gerichtet, die jeden seiner Blicke aufzeichnet.
Bevor es losgeht, lauscht Binder den abschließenden Anweisungen des ÖAMTC-Instruktors. Demnach soll der 47-Jährige am benachbarten Testgelände zweieinhalb Stunden lang Runden drehen. Allerdings mit der Auflage, die maximale Geschwindigkeit von 70 Stundenkilometern einzuhalten - und nicht einzuschlafen.
Während also Binder auf der Übungsstrecke in Teesdorf rund um die Uhr überwacht wird und im Notfall geweckt werden kann, ist die Situation auf den Straßen Österreich alles andere als sicher. Das beweisen zumindest die ständig ansteigenden Unfallzahlen in den Morgenstunden: Waren im Jahr 2007 noch 82 Lenker zwischen 0 und 5 Uhr Früh tödlich verunglückt (12 Prozent der Verkehrstoten), so stieg dieser Wert allein im Vorjahr um drei Prozent auf 92 Opfer an. "Laut Statistik ist bei 4 Prozent der tödlichen Unfälle Übermüdung die Hauptursache", betont Seidenberger. "Die Dunkelziffer dürfte aber zwischen 15 und 40 Prozent liegen."
Kurzes Nickerchen hilft
Dafür würden auch die ersten Erfahrungen der Studie, deren Ergebnisse im Februar präsentiert werden, sprechen, sagt die Psychologin und verweist auf 630 Fragebögen, die von den Probanden ausgefüllt wurden. Zum Inhalt will sie nichts sagen. Nur soviel: So habe sich gezeigt, dass etwa "Powernapping", also das Einlegen einer Schlafpause von 15 Minuten, auch bei Nachtfahrten hilfreich sein kann.
Um diese Vermutung zu prüfen, wird auch Herr Binder kurz vor 4 Uhr Früh das Testauto abstellen und ein 15-minütiges Schläfchen einlegen. Ob die Pause dem Probanden physisch etwas gebracht hat, wird die Auswertung der Messdaten beweisen. Zumindest für Binder ist die Frage bereits beantwortet: "Ein kurzes Nickerchen bringt es allemal", wird er um 4.30 Uhr sagen. Und: "Ich hätte noch locker weiterfahren können."