Zwei gegenläufige Trends: Während sich Unternehmen zunehmend demokratisieren, wird in der Politik der Ruf nach dem starken Mann an der Spitze lauter.
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In Unternehmen wird derzeit diese Geschichte erzählt: Weil die Welt so komplex, so volatil, so unvorhersehbar geworden ist, braucht es eine andere Form der Organisation. Der Trend geht weg von der Hierarchie, vom "heroic leader", also vom heldenhaften CEO an der Spitze, hin zu demokratischen Prozessen, die Vielfalt, Kooperation und Beteiligung ermöglichen. Autorität soll verteilt werden, Entscheidungen sollen schnell und unbürokratisch an den Stellen getroffen werden können, an denen sie erforderlich sind. Hierarchie ist komplett out, altmodisch, verstaubt und nicht mehr zeitgemäß. Manager, die sich über Macht anstatt machen definieren, gehören aussondiert. Begriffe wie Schwarmintelligenz, Agilität, Kollaboration und Delegation sollen Unternehmen ins 21. Jahrhundert führen: eine Zeit, in der Kreativität, Innovation, Freiheit und Vertrauen im Vordergrund stehen, um den Anforderungen des Marktes gerecht werden zu können.
Ganz anders ist es derzeit in der Politik: Die Grundidee der Demokratie besteht in verteilter Macht, dem Ausgleich der Interessen und dem Erreichen von Lösungen, die unterschiedliche Sichtweisen und Zielsetzungen möglichst gut integrieren können. Die Macht geht vom Volk aus, das durch das Parlament vertreten wird und verhindert, dass einzelne Personen oder Personengruppen eigene Machtinteressen auf Kosten des Allgemeinwohles verfolgen können.
Mit dem Ruf nach dem starken Mann, "der endlich aufräumt in diesem Land" (genau so habe ich es gehört, neulich auf dem Markt), geht die Tendenz in Richtung Aushöhlung der demokratischen Prinzipien. Die Menschen sind zunehmend bereit, auf Mitsprache zu verzichten, eine Einschränkung ihrer persönlichen Rechte in Kauf zu nehmen und sogar gegen ihre eigenen materiellen Interessen zu agieren (siehe USA), in der Hoffnung auf einen Heilsbringer.
Diesen Trend erleben wir derzeit weltweit: den Aufstieg der weißen alten Männer. Diesmal aber nicht in irgendwelchen Bananenrepubliken, sondern in sogenannten westlichen Ländern (USA, Türkei, Ungarn, . . .) und noch dazu demokratisch legitimiert. Das Problem ist, dass am Ende des Tages die Menschen doppelt verlieren werden: Zur Aufgabe von persönlicher Freiheit kommt noch auch ein Niedergang der wirtschaftlichen Prosperität in diesen autoritär geführten Ländern. Die Menschen müssen nun hilflos zusehen, wie sich die von ihnen legitimierten Machthaber die eigenen Taschen und die ihrer Gefolgsleute vollstopfen, Andersdenkende ausgrenzen oder sogar einsperren, je nach ihren Möglichkeiten.
Diese gegenläufigen Entwicklungen in Wirtschaft und Politik sind natürlich nicht durchgängig, aber in der Tendenz schon stark absehbar. Dabei bräuchte es in beiden Fällen das Gleiche: Eine klare Führung und Richtung, die Stabilität und Sicherheit gibt, aber darin viel Freiraum und Individualität lässt.